Sternenfaust - 186 - Veränderungen
Erlaubnis in ihre Gedankenwelt einzudringen. Menschen waren nicht wie die Alendei in der Lage, ihre Gedanken zu kontrollieren. Und sie waren es gewohnt, viele Geheimnisse mit sich zu tragen. Turanagi erlebte daher immer wieder, dass sich Menschen in seiner Gegenwart unwohl fühlten.
Doch im Schlaf strömten die Gedanken der anderen schutzlos auf ihn ein, und beides führte oft zu wirren, wenig erholsamen Träumen.
Langsam atmete Turanagi so tief er konnte aus, bis sich bei ihm das Gefühl einstellte, keine Luft mehr in den Lungen zu haben. Dann wartete er für einen Moment, bis der Drang, panisch nach Luft zu japsen, übermächtig wurde.
Erst dann atmete er so kontrolliert und langsam wie möglich wieder ein. Dabei richtete er sich auf und streckte seinen Rücken gerade durch.
Diese Übung wiederholte er einige Mal, bis sich in seinem Körper ein Gefühl der Entspannung ausbreitete.
Noch immer empfand Turanagi seine Situation als absurd, fast schizophren. Er trug die Erinnerung von zwei Leben in sich. Er war als Izanagi aufgewachsen, und er hatte ein Leben als Turanor geführt. Bis diese zwei Individuen zu einer neuen Person verschmolzen waren: Turanagi. Zwei Leben. Zwei Sprachen. Er hatte unterschiedliche Menschen und Alendei geliebt. Er hatte Turanor mit den Augen von Izanagi und Izanagi mit den Augen von Turanor gesehen.
Und nun war er auf einem Schiff, auf dem sich zwei Besatzungen aus zwei verschiedenen Zeitlinien befanden.
Kommandiert von Commodore Frost, die ähnlich wie er zumindest zum Teil die Erinnerungen an zwei unterschiedliche Leben in sich trug.
Besonders seltsam war es, Bruder William wiederzusehen. Dieser Bruder William kannte Izanagi nicht, während Izanagi in der ersten Zeitlinie der Schüler von Meister William gewesen war, bis er aus dem Mönchsorden ausgetreten war. Damals hatte Izanagi unter dem Einfluss von Hypno-Telepathen gestanden. Doch auch als er sich mit der Hilfe von Meister William aus ihrem Einfluss befreit hatte, war er nicht ins Kloster zurückgekehrt.
Turanagi wusste, dass dies Meister William das Herz gebrochen hatte. Daher war er ihm danach aus dem Weg gegangen. Und dann war Meister William an Bord der STERNENFAUST III gestorben, und sie hatten sich nie aussprechen können.
Nun einer jüngeren Version von Meister William zu begegnen, war seltsam. Turanagi spürte stets das Bedürfnis, über Dinge zu sprechen, die der andere gar nicht wusste. Am liebsten wäre es ihm gewesen, Bruder William hätte Izanagi vergeben, obwohl er Izanagi nie kennengelernt hatte.
Erneut schloss Turanagi die Augen. Er wollte die Atemübung noch ein paar Mal durchführen, stets in der Hoffnung, die unruhige Nervosität, die sich immer wieder aufs Neue in seiner Magengegend ausbreitete, vertreiben zu können.
Plötzlich sah Turanagi seltsame Bilder. Von Monden! Von einem Himmelskörper, von dem er aus unbekannten Gründen wusste, dass er Irigon hieß. Er hatte das Gefühl, im Gras zu liegen und die Krater der Mondoberfläche zu sehen. Dann eine Flucht, düstere Wesen, die Panik in ihm auslösten, sodass er die Gedanken abschüttelte. Er spürte Qualen. Qualen, die von etwas ausgingen, das Nullum hieß.
Und er sah etwas, das im All schwebte und das einem riesigen, dunklen Drachen ähnelte. Er spürte den mentalen Kampf gegen dieses Wesen, er spürte, wie ihn der Schmerz durchdrang und nicht nur seinen Körper sondern auch seinen Geist ausfüllte.
Dann sah er sich durch die Weiten des Alls reisen. Er erlebte den Weltraum als lebendigen Organismus, der sich um seinen Körper hüllte und ihn in einen Rausch der Sinne stürzte, bis sein Herz so sehr raste, dass es zu zerspringen drohte.
Langsam öffnete Turanagi die Augen. Jetzt erst spürte er, dass ihm der Schweiß über die Brust lief.
Was war geschehen? Hatte er die Gedanken von einem Crewmitglied aufgefangen?
Möglich wäre es. Doch wenn, dann musste es ein wirrer Traum gewesen sein, denn das, was er im Schlaf erlebt hatte, war keiner ihm bekannten Spezies möglich. Nicht einmal den Alendei, die durch das All teleportieren konnten.
»Turanagi?«, hörte er eine Stimme neben sich und erschrak fürchterlich.
Es war Captain Mulcahy, hinter dem Commander Wynford stand.
Und er lag hier auf seinem Bett, nur mit seiner Unterwäsche bekleidet.
»Captain!«, stammelte er und zog sich gedanklich noch weiter zurück. »Ich … ich werde mir nur schnell etwas überziehen.«
»Heute scheint mein Glückstag zu sein«, murmelte Commander Wynford,
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