Sternenfaust - HC01 - Die erste Mission
Offensiven beider Seiten in Richtung der Solaren Welten allerdings auch, wobei die Grenze zwischen Offerte und offener Bedrohung nicht immer ganz eindeutig zu ziehen war.
Rudenko betrat Lobby D.
Der Einzige, der hier derzeit an einem der niedrigen Glastische Platz genommen hatte, die auch gleichzeitig als Touchscreens mit Multimediaanschluss dienten, war ein mittelgroßer, schlanker, sehr hagerer Mann von Mitte fünfzig. Sein Haar war bereits ergraut. Das Gesicht mit den hohen, etwas hervorstehenden Wangenknochen hatte einen leicht asiatischen Einschlag. Die Kleidung war von existentieller Schlichtheit und bestand aus einer anthrazitfarbenen Kombination.
Rudenko erkannte diesen Mann sofort – und die Tatsache, dass er ihn hier als Einzigen antraf, konnte nun wirklich kein Zufall sein.
Es handelte sich um Julio Ling, der im Rat vor allem als Vertreter von Industrie- und Wirtschaftsinteressen galt. Er hatte vergeblich versucht, Hans Benson als Erstes Ratsmitglied der Erde abzulösen. In dieser Funktion hätte er dann traditionell auch den Vorsitz des Hohen Rates übernommen. Aber die hinter den Kulissen bereits als sicher geltende Mehrheit hatte sich als weit weniger stabil erwiesen, als Ling gedacht hatte. Mit starrem Gesicht hatte Ling schließlich Benson zum Amtsantritt gratulieren müssen.
Aber allen politischen Beobachtern war klar gewesen, dass Julio Ling seine Ambitionen keineswegs aufgegeben hatte.
Er strebte ganz an die Spitze, und da er außerdem ein Mann war, der über die Fähigkeit zu langfristigem strategischem Denken verfügte und darüber hinaus auch noch die nötige Geduld mitbrachte, traute Rudenko ihm durchaus zu, dass er sein hoch gestecktes Ziel eines Tages erreichen würde.
Besser eines noch sehr fernen Tages , dachte Rudenko, denn Ling gehörte nun wirklich nicht jener politischen Richtung an, die er selbst bevorzugte. Wenn es nach Männern wie Ling gegangen wäre, dann hätten wir heute noch kein Star Corps of Space Defence, und neue Kolonien würden nur unter der Regie von Industriekonzernen erschlossen. Ich frage mich, was er von mir will. Es muss um einiges gehen, sonst hätte er mir nicht die Nachricht geschickt …
»Guten Tag, Ratsmitglied Ling«, grüßte Admiral Rudenko.
Ling machte sich nicht die Mühe, sich zu erheben. Sein Gesicht blieb regungslos.
Er setzte die Lesebrille ab, die als Display eines in den Armbandkommunikator integrierten Rechners diente, auf dem man sich Texte, Grafiken und Filme zeigen lassen konnte. In Lings Fall waren es vermutlich tabellarische Zusammenfassungen der wirtschaftlichen Entwicklung in den Solaren Welten, so staubtrocken, wie der Mann selbst auf den ersten Blick wirkte.
Jedenfalls konnte sich Rudenko bei Ling nicht vorstellen, dass er einfach nur zur Unterhaltung ein eBook gelesen oder sich die Lesebrillenfassung eines Spielfilms angeschaut hätte. In seinen Augen wäre das wohl nichts weiter als Zeitverschwendung. Immerhin in diesem Punkt wären wir beide uns einig , dachte Rudenko.
Ling klappte die Lesebrille zusammen und steckte sie weg. »Guten Tag, Admiral. Es freut mich, dass wir uns bei dieser Gelegenheit mal persönlich kennen lernen. Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«
»Das kann ich umgekehrt auch sagen.«
»Unsere politischen Überzeugungen mögen nicht in jedem Fall kongruent sein, aber das schließt ein gepflegtes Gespräch nicht aus, oder?«
»Nein, gewiss nicht.«
Er ist bestimmt nicht hier, um sich mit mir gepflegt zu unterhalten , ging es Rudenko durch den Sinn. Aber der Admiral wäre niemals auf die Idee gekommen, sein Gegenüber auf die Nachricht anzusprechen, die auf seinem Armbandkommunikator gelandet war. Julio Ling hätte ohnehin alles abgestritten. Für sein persönliches Image war es auch sicherlich alles andere als förderlich, wenn herauskam, dass er es war, der dieses Treffen arrangiert hatte. Schließlich standen hinter Ling starke Interessengruppen, die in einem weiteren Aufbau der Star-Corps-Verbände nichts anders als die Verschwendung von dringend benötigten Mitteln sahen.
Mittel, die nach Auffassung von Ling und seinen politischen Freunden wesentlich besser in den wirtschaftlichen Aufbau der Solaren Welten und die Förderung von Erschließungsprogrammen auf den einzelnen Kolonien investiert wären.
»Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich die Entwicklung einer neuen Klasse von Kriegsschiffen, für die Sie sich so stark gemacht haben, für völlig überflüssig halte.«
»Das ist mir
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