Sternenfinsternis (German Edition)
waren immer faszinierend für ihn. Die einen grinsten ihn an, klopften ihm sogar oftmals lobend auf die Schulter, während die anderen ihn für seine Streiche verachteten und keines Blickes würdigten oder gar ihm geltende Beleidigungen vor sich hinmurmelten. Doch dies kümmerte ihn keineswegs. Er forderte und erhoffte sich niemals anerkennende Worte der Menschen in seinem unmittelbaren Umfeld – seine Beweggründe lagen tiefer, auch wenn er sich vielleicht über diese Tatsache, zu diesem Zeitpunkt, noch nicht im Klaren war.
Sein Vater, ein bekannter Neurochirurg und gefeierter Arzt zahlte eine Menge Geld für dieses Eliteinternat. Doch nicht aus dem Grund, ihm eine gute Ausbildung und vielversprechende Zukunft zu gewährleisten, sondern einzig und alleine zu dem Zwecke, dass er ihm aus dem Weg war. Der ›große‹ Prof. Dr. Nathan Scott bemühte sich nicht um Dinge, die für ihn weder einen Nutzen hatten, noch Kapital abwarfen. Vollkommen egal, was Lucas auch anstellte, die Aufmerksamkeit seines Vaters bekam er dadurch nicht.
Als seine Mutter noch gesund und am Leben war, vor dem schwarzen Freitag im Oktober vor zehn Jahren, war die Welt noch in Ordnung. Damals arbeitete sein Vater für eine kleine neurochirurgische Klinik in Calgary. Meist war er jedoch zu Hause in ihrem Blockhaus am Rande der kanadischen Großstadt und nahm sich Zeit für ihn und seine Mutter. Nachdem ein Tumor im Kopf seiner Mutter diagnostiziert wurde und feststand, dass dieser bösartig war, zogen sie nach New Angeles, in der sich die größte und erfolgreichste Klinik der Vereinigten Staaten zur Bekämpfung gegen den Krebs befand, wo Nathan schließlich einen neuen Job erhielt und sich ausschließlich dem Krankheitsbild seiner Frau widmete.
Bereits in dieser Zeit begann sich sein Vater in einen besessenen Workaholic zu verwandeln und war kaum noch zu Hause.
Drei Jahre sollte der Kampf andauern, den Lucas Mutter schließlich, trotz allen Fortschrittes in der Krebsforschung und der Bemühungen ihres Mannes verlor. Lucas hoffte, dass nun, nach dem Tod seiner Mutter, sein Vater sich wieder um ihn kümmern würde, da auch er schließlich einen wichtigen Menschen verloren hatte. Doch der damals Sechsjährige blieb weiterhin mit seiner Trauer und dem Gefühl, nicht nur seine Mutter, sondern zugleich auch seinen Vater verloren zu haben, allein. Der zweite Schicksalstag im Leben von Lucas war, als Consuela, die mexikanische Haushälterin ihm in ihrem gebrochenen Englisch darüber berichtete, dass er bereits am nächsten Tag in eine Internatsschule gehen würde. In dieser Zeit zerbrach etwas in dem Jungen. Zuerst dachte er, dass er die Schuld an allem tragen würde und sein Vater aus diesem Grund nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Doch nach einiger Zeit wandelten sich seine Gedanken und seine Wut wandte sich gegen den wahren Schuldigen – seinen Vater.
Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihm das Leben so schwer wie möglich zu machen, ihn aus der Ferne zu drangsalieren und für das zu bestrafen, was dieser ihm angetan hatte – doch vermutlich war es auch ein Schrei nach Liebe und Aufmerksamkeit. Trotz allem Ärger, den er verursachte, bemühte sich sein Vater kein einziges Mal in eines der Internate. Er klärte stets alles aus sicherer Distanz, um ihm, seinem Jungen nicht gegenübertreten, nicht in die Augen sehen zu müssen.
Die große hölzerne Tür zum Rektorat öffnete sich und Miss Mildrich, die Sekretärin warf einen Blick hinaus auf den Korridor. Argwöhnisch, ohne ein Wort zu sagen, blickte sie den Sechszehnjährigen an. Lucas wäre wahrscheinlich enttäuscht gewesen, hätte sie nicht, wie eh und je diesen erfrischend mürrischen Blick aufgesetzt und ihren streng nach hinten gebundenen Haarknoten getragen, welchen sie seit Jahren nicht anders zu drapieren schien. Man konnte diese beiden Dinge schon beinahe als ihr Markenzeichen bezeichnen. Seit er diese alte Dame zum ersten Mal zu Gesicht bekam, fragte sich der Junge, ob dies schon immer so war. Daraufhin recherchierte er in den Schularchiven nach ihr und fand unzählige Bilder, bis hin zu ihrer eigenen Schulzeit im selben Internat. Was erschreckend an der Sache war, vollkommen egal, aus welchem Jahr er ein Foto von ihr zu sehen bekam, trug sie den seltsam grimmigen Ausdruck im Gesicht und die gleiche altbackene Frisur – nur mit dem Unterschied, dass sich ihr damals brünettes Haar in ein alterndes Grau gewandelt hatte.
Auch wenn er ihre missgelaunten Blicke
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