Sternenfinsternis (German Edition)
fügte ein weiteres Besatzungsmitglied hinzu.
Poams Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Auch wenn es geradezu unmöglich war, entsprach es dennoch einer Tatsache. Vor ihren Augen vollzog sich eine Supernova – das Sterben eines Sterns, der alles unbarmherzig um sich herum ebenfalls in den Tod riss.
In den Gesichtern der Männer und Frauen konnte er erkennen, wie die Ungläubigkeit langsam zur Erkenntnis heranwuchs – ihre Welt war verloren, ihre Heimat existierte nicht mehr. Doch bevor die blanke Panik um sich zu greifen drohte, wollte er einige Worte an seine Besatzung richten. Poam hob seine Arme in die Höhe, wodurch jene, deren Stimmen sich bereits aus der Menge erhoben hatten, wieder verstummten.
»Es mag noch so unwahrscheinlich und unerklärbar sein, dennoch ist es Realität. In diesem Augenblick schleudert uns der Fixstern geladene Partikel entgegen. Doch um ein Vielfaches gefährlicher ist die unvorstellbar gewaltige Plasmawolke, die sich in einer horrenden Geschwindigkeit auf uns zubewegt. Auch wenn diese trotz ihrer enormen Rasanz im Augenblick noch weit entfernt ist und für uns und das Schiff noch keine direkte Gefahr darstellt, walzt der glühend heiße Strom alles nieder, was sich ihm in den Weg stellt. Unsere Familien und unsere Freunde sind in diesem Moment bereits verloren. Ihr wisst alle, welche Bedeutung die Meinen für mich haben, dennoch müssen wir jetzt stark sein. Trauert um eure Freunde und Familien, doch lasst euch nicht davon verzehren. Das Überleben unserer Art liegt nun ganz allein in unseren Händen. Sassyaly mag verloren sein, doch wir werden überleben, im Namen all derer, denen dies nicht vergönnt ist.«
Poam hatte keinen Applaus oder Jubelschreie nach seiner Ansprache erwartet, denn es gab nichts, was man hätte bejubeln können. Dennoch hatte er das Gefühl, dass seine Worte, trotz des immensen Verlustes aller, ein wenig die Hoffnung und Entschlossenheit, in jedem Einzelnen wieder aufkeimen ließ. Nach seiner Rede trat die Kommunikationsoffizierin neben den Kommandanten, der sich dem vernichtenden Schauspiel wieder zugewandt hatte und es trauernd betrachtete. Er fragte sich: ›Wie kann etwas so Schönes, zugleich so mörderisch sein‹.
»Poam«, riss die junge Offizierin ihn aus seinen Gedanken. »Wir müssen irgendetwas tun. Wir können doch unsere Familien nicht einfach sterben lassen.«
Er sah sie an und wünschte sich, es gäbe etwas, dass er sagen oder tun könnte, was ihren Schmerz minderte. Doch das Reißen und Zerren in seiner Brust war zu gewaltig, als dass er tröstende Worte hätte finden können. Stattdessen strich er ihr über ihre Wange, sah sie traurigen Blickes an und sagte: »Es gibt nichts, was wir tun könnten, ohne bei einem erfolglosen Versuch unser eigenes Leben zu verlieren. Dies ist eine Macht, gegen die wir, trotz allen Fortschritts, nichts entgegenstellen können.«
Kapitel 2
Der unverbesserliche Lucas Scott
Wer würde dem kurzhaarigen, blonden Jungen, dem Lucas Scott gegenübersaß, einen derart widerspenstigen Geist zumuten. Seine strahlend blauen Augen und der Charme, den dieser zu versprühen in der Lage war, machte es unsagbar schwer, ihm etwas übelnehmen zu können. Dieser Tatsache war sich Lucas stets bewusst, doch diesmal war es anders – zum allerersten Mal sah der Junge wirklich besorgt aus. Auch wenn sich Lucas selbst nicht darüber im Klaren zu sein schien, offenbarte ihm sein Ebenbild, was er selbst nicht in der Lage war zu erkennen.
Er fragte sich unzählige Male, die er an dieser Stelle saß und auf die Spiegelwand blickte, welchen pseudo-pädagogischen Zweck diese wohl erfüllen sollte. Diesmal glaubte er, es im Ansatz begriffen zu haben. Im Grunde war es eine Art Gegenüberstellung. Man wurde mit der Person konfrontiert, die eine Schandtat beging, in diesem Falle das Ebenbild und zwang den ›Unruhestifter‹, in sein eigenes Angesicht zu blicken. Vermutlich hatten sie die Hoffnung, dass man Scham oder Reue dabei verspürte. Bislang verfehlte diese Maßnahme ihren Zweck bei Lucas gänzlich – doch dieses Mal war es irgendwie anders. Er konnte es nicht ertragen, wenn sein Gegenüber ihn ansah. Was dies bedeutete, konnte oder vielmehr wollte er nicht verstehen.
Die Blicke, der an ihm vorbeigehenden Mitschüler und Lehrkräfte, war Lucas inzwischen gewohnt und auch für sie war es nichts Neues, den Störenfried vor dem Büro des Direktors wartend anzutreffen. Die unterschiedlichen Reaktionen der Schüler und Lehrer
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