Sternenfinsternis (German Edition)
auch nur ein sauberes Kleidungsstück besitzen, sondern alles hier verstreut liegt, könnte dies seine Zeit dauern. Vermutlich wäre es von Vorteil, wenn sie sich eine neue Garderobe zulegen und die alte verbrennen würden. Denn dem Geruch nach zu urteilen, vermute ich, dass selbst eine chemische Reinigung keine Option mehr darstellt.«
Nachdem Lucas sich selbst in seinem Schlafraum umgesehen hatte, als ob er sich erst in diesem Augenblick über das Chaos bewusst geworden wäre, drehte er sich zu dem Colonel um und warf ihm einen widerspenstigen Blick zu.
»Keine Chance. Das kommt nicht infrage. Ich gehe hier nicht ohne meine Sachen weg, dann müssen sie sich eben ein wenig mehr Zeit nehmen. Am besten kommen sie morgen wieder.«
Cameron Davis mochte die arrogante Art des pubertären halbstarken Bengels nicht. Doch er war nicht der Erste, der sich dem jungen aufstrebenden Colonel zu widersetzen versuchte und sicherlich nicht der Letzte, der sich an ihm die Zähne ausbiss.
»Ich habe eine bessere Idee!«, sagte er emotionslos. »Wir haben tatsächlich ein zweites Zeitfenster, doch dann sehe ich mich gezwungen, ihren geliebten Flohzirkus zurückzulassen. Sie haben die Wahl«.
Für einen kurzen Moment machte sich Verzweiflung im Gesicht von Lucas bemerkbar. Es war undenkbar, ohne Joey irgendwo hinzugehen.
»Nun?«, erkundigte sich der Colonel nach einer kurzen Bedenkzeit.
Lucas zögerte. Jedoch nicht, weil er sich unschlüssig war, sondern er es nicht einsah, all seine Prinzipien über Bord zu werfen und ohne Weiteres einfach klein beizugeben. Anders als er war der Offizier mehr als nur entschlossen.
»Lieutenant! Packen sie den Hund in die Box«, sagte Colonel Davis, woraufhin ein junger CSA-Offizier mit einer Hundebox den Raum betrat, der anscheinend vor dem Zimmer nur auf den Befehl gewartet hatte. Die Box war gerade groß genug, dass Joey darin Platz finden konnte.
»Dir bleiben nur zwei Möglichkeiten«, sagte Davis. »Entweder du beförderst deinen Hund selbst in die Transportbox oder der Lieutenant betäubt ihn!«
Der junge Offizier zückte eine Pistole und zielte auf Joey, der die Situation begriff und erneut seine Zähne fletschte.
»Ich werde es tun!«, gab Lucas klein bei und kniete sich vor der Transportbox auf den Boden, um diese zu öffnen. Der Junge befahl Joey in die Box zu gehen und dieser folgte ohne jegliche Gegenwehr.
»Sehr gut! Jetzt ziehst du dich an, damit wir endlich los können. Denn aufgrund dieser unnützen Diskussion bleibt nun nicht einmal mehr die Zeit dich zu duschen«, sprach der Colonel naserümpfend, als ob er dies ein wenig bedauerte.
Lucas tat, wie man es ihm auftrug, und entledigte sich rasch seines Schlaf-T-Shirts und der Boxershorts, während der Colonel am Haupteingang auf ihn wartete. Es dauerte weniger als fünf Minuten. Die Tatsache, all seine Habseligkeiten zurückzulassen, war für ihn vollkommen nebensächlich geworden. Das Wohl seines besten Freundes war wichtiger als alles andere. In jeder anderen Situation hätte der pubertierende Heranwachsende rebelliert, doch Colonel Cameron Davis traf ihn an seinem wunden Punkt und Lucas folgte wie ein Lämmchen seiner Herde.
Die Vorhalle, mit ihren hohen weißen Marmorsäulen war hell erleuchtet und vollkommen menschenleer. Lucas hatte in all den Monaten die Pracht der Empfangshalle nie auf diese Art wahrgenommen. Plötzlich erschien sie ihm vollkommen fremd und trostlos. Doch wahrscheinlich lag dies an den äußerst ungewöhnlichen Umständen. Ihn verband auf gewisse Weise mehr mit diesem Ort als mit all den vorherigen Internaten, welche er über die letzten neuneinhalb Jahre hinweg kennenlernte. Er konnte noch genau den grünen Fleck sehen, den die Putzkräfte verzweifelt zu entfernen versuchten, welcher durch einen Fehlwurf seiner Farbballonattacke eine der Säulen traf.
Auch wenn er schweren Mutes die lange und breite Marmortreppe in eine ungewisse Zukunft hinunterschritt, war es eine Erleichterung, dass er wohl der einzige Student zu sein schien, der zu dieser frühen Stunde bereits auf den Beinen war. Aufgrund seines Benehmens hatte der sich nicht gerade Freunde unter seinen Mitschülern gemacht und er war sich nahezu sicher, dass es einige von ihnen mit Freude gesehen hätten, wie er zum letzten Mal diese Treppe hinab ging.
Es kam ihm vor, als würden sich die Stufen endlos dahinziehen. Jeder seiner Schritte, welche die hohen Sandsteinwände widerhallen ließen, war ein Schritt mehr auf einem Pfad ohne
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