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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
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bisschen Zeit gewonnen«, meinte Hoffnung.
    »Ja. Noch dreißig Minuten bis Ost«, sagte Pirius. Er fuhr mit den Händen durch virtuelle Konsolen und initiierte Eigendiagnose- und Reparaturroutinen im ganzen Schiff. »Jetzt habt ihr ein bisschen Zeit für euch«, verkündete er seiner Crew. »Esst und trinkt etwas. Geht pinkeln. Schlaft, wenn es sein muss. Benutzt eure Med-Umhänge, falls ihr sie braucht.«
    »Essen? Schlafen?«, sagte Cohl verständnislos. »Wir werden sterben. Wir sollten uns lieber noch mal vor Augen führen, weshalb wir sterben müssen.«
    »Lethe, mein Kind«, meinte Dans, »hier draußen gibt es keine Kommissarenärsche, in die du reinkriechen könntest. Findest du nicht auch, dass die Doktrinen ein schwacher Trost sind?«
    »Im Gegenteil«, sagte Cohl.
    Pirius warf einen raschen Blick zu Cohls Blase hinunter. Er stellte sie sich dort drin vor, in ihren Hautanzug gehüllt, von Maschinen umgeben, wie sie sich an die erbarmungslose Logik der Doktrinen klammerte.
    Viele tausend Jahre waren seit dem ersten interstellaren Flug eines Menschen und dem Beginn des machtvollen Vormarschs der Menschheit durch die Galaxis vergangen, den man als Dritte Expansion bezeichnete. Die Expansion war ein ideologisches Programm, das titanische Projekt einer Menschheit, die Hama Druz nach ihrer Beinahevernichtung mit seinen Doktrinen vereinigt hatte. Im grellen Licht der menschlichen Entschlossenheit waren weniger starke Spezies verbrannt. Zuletzt war nur noch ein einziger Gegner übrig geblieben: die Xeelee, der machtvollste Feind von allen, mit ihrer Konzentration im Zentrum der Galaxis.
    Schon vor mehreren Jahrtausenden hatte die Dritte Expansion das Zentrum eingeschlossen. Aber die Xeelee antworteten auf gleiche Weise und genauso entschlossen. Die Front hatte sich in eine große, zum Stehen gebrachte Welle der Zerstörung verwandelt, eine kugelförmige Reibungszone zweier Imperien. Und auf den im Umkreis von hundert Lichtjahren verstreuten Fabrikwelten färbte das Licht des endlosen Krieges den Himmel rosa.
    Die Xeelee ließen sich auf keine andere Form des Umgangs mit der Menschheit ein als auf den Krieg. Es gab keine Verhandlungen, keine Annäherung, keinen Kontakt, der nicht mit dem Tod endete. Für die Xeelee waren die Menschen Ungeziefer – und sie hatten das Recht, so zu denken, weil sie den Menschen in jeder nur messbaren Weise überlegen waren. Darum würde die Menschheit als Ganzes nur überleben können, wenn jeder einzelne Mensch vorbehaltlos bereit war, sein Leben fürs Gemeinwohl zu opfern. Diese doktrinelle Philosophie wurde in Seminaren, Kadergruppen und Akademien überall in der Galaxis gelehrt: Wenn man Menschen zu Ungeziefer abstempelte, so kämpften und starben sie auch wie Ungeziefer.
    Jahrtausendelang hatten die sich schnell fortpflanzenden Menschen große Mühe darauf verwendet, die Galaxis zu füllen. Ganz gleich, welchen Stern man sich nun am vollen Firmament aussuchte, man konnte sich darauf verlassen, dass es dort Menschen gab. Und jahrtausendelang hatten Menschen sich ins Feuer der Xeelee geworfen, Ungeziefer, das auf die einzige ihm mögliche Weise zurückschlug, mit seinen Körpern und Seelen, in der Hoffnung, die Xeelee durch seine schiere Menge zu besiegen.
    Pirius kannte viele Kämpferinnen und Kämpfer, die so dachten wie Cohl. Diese Denkschule hatte die Menschheit über Millennien hinweg geeint und unverändert erhalten, hatte also offensichtlich ihren Zweck erfüllt. Viele Soldaten fürchteten, alles bräche zusammen, wenn die Doktrinen jemals auch nur infrage gestellt würden, und die Niederlage oder etwas noch Schlimmeres wäre die unausweichliche Folge. Gegenüber diesem Risiko erschien die entfernte Möglichkeit eines Sieges als irrelevant.
    »Und was ist mit dir, Tuta?«, fragte Dans heiter.
    »Ich heiße Bleibende Hoffnung«, sagte der Ingenieur. Offenbar war er nicht beleidigt.
    »Oh, ich vergaß. Du bist einer dieser Unendlichkeitsgrübler, stimmt’s? Also, was glaubst du? Wird ein großer Held aus der fernen Zukunft im Sturzflug angesaust kommen und dich retten?«
    Pirius hatte versucht, das Thema von Bleibende Hoffnungs eigenartiger Sekte – »Wigners Freunde«, wie sie sich nannte – zu meiden. Pirius hielt sich für pragmatisch; er war bereit, sich mit Nonsense-Namen abzufinden, wenn es seinen Ingenieur glücklich machte. Aber die »Freunde« verletzten das doktrinelle Gesetz allein schon durch ihre Existenz.
    »Mach dich ruhig lustig«, sagte Hoffnung. »Du

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