Sternenkinder
grimmig.
Dans blätterte virtuelle Daten durch und schickte Pirius Kopien von allem. »Im Zentrum dieses Flares ist die Raumzeitstruktur verzerrt, Pirius. Wir wissen, dass Xeelee-Schiffe fliegen, indem sie durch die Raumzeit schwimmen, dass sie im Grunde aus kontrollierten Raumzeitdefekten bestehen. Das kann unter Garantie nicht mal ein Xeelee überleben.«
»Und das heißt…«
»Das heißt, dass ihr mitten durch den Flare fliegt. Siehst du, wie er sich durchs Magnetfeld krümmen wird? Wenn ihr den richtigen Kurs nehmt, könnt ihr die schlimmsten Bereiche meiden, während ihr die Xeelee mitten hineinführt.«
»Aber wenn ein Xeelee das nicht überleben kann«, wandte Bleibende Hoffnung berechtigterweise ein, »wieso dann wir?«
»Wir haben keine andere Wahl«, sagte Pirius.
»Vier Minuten bis zur größten Annäherung«, sagte Dans.
Pirius fuhr mit den Fingern durch virtuelle Displays. »Cohl, ich schicke dir Dans’ Koordinaten. Steuern wir diesen Flare an. Mehr als sterben können wir nicht, und es ist zumindest eine Chance. Dans – wir brauchen Zeit, um das Manöver zu planen. Wie lange wird die Eruption dauern?«
Dans zögerte. »In voller Länge nur etwa eine Sekunde. Ein Neutronenstern ist ein kleines, sehr energiereiches Objekt, Pirius. Da geht alles schnell… Oh.«
Einen Moment lang hatte Pirius tatsächlich einen Anflug von Hoffnung verspürt; jetzt aber erlosch dieser warme Funke. Es ging einfach zu schnell. »Okay. Wir haben also nur diese Millisekunde, um unseren Kurs zu berechnen, ihn einzugeben und das Manöver auszuführen.«
»Unsere Bord-KI würde zehn bis zwanzig Sekunden brauchen, um so einen Kurs zu berechnen. Selbst wenn wir vorher Daten über die Form des Flares hätten. Die wir nicht haben. Ein Xeelee könnte das natürlich.«
»Drei Minuten«, sagte Hoffnung gelassen.
Pirius seufzte. »Weißt du, einen Moment lang hab ich wirklich gedacht, es könnte klappen, Dans.«
»Lethe«, blaffte Dans ungeduldig, »was seid ihr bloß für Jammerlappen. Vielleicht gibt es trotzdem einen Weg. Hast du schon mal was vom Bruns-Manöver gehört, Pirius?«
»Nein.«
»Pilotenschultratsch. Jemand hat es versucht – ist vielleicht ein Jahr her.«
Pirius hatte nichts davon gehört. Aber bei den Piloten in der Bogen-Basis herrschte eine enorme Fluktuation; es gab nicht viel Gelegenheit, Praxiserfahrungen weiterzugeben.
»Es hat nicht funktioniert.«
»Wie beruhigend.«
»Aber es hätte funktionieren können«, meinte Dans. »Ich hab’s mir angesehen. Hab ein paar Simulationen durchgeführt. Dachte, es könnte vielleicht irgendwann nützlich sein.«
»Zwei Minuten dreißig Sekunden.«
»Hör mir zu, Pirius. Haltet euren Kurs; steuert auf die Eruption zu. Aber bleibt weiter auf Empfang. Ich berechne den Kurs für euch. Einen Weg durch den Flare.«
»Das ist unmöglich.«
»Unsinn. Und wenn ich die neue Flugbahn runterlade, solltet ihr bereit sein, sie sofort in eure Systeme einzugeben.« Dans entfernte sich.
»Wo willst du hin?«
»Haltet lieber ein bisschen Abstand – falls es nicht klappt.«
»Dans!«
»Die sehen wir nicht wieder«, sagte Bleibende Hoffnung lakonisch.
»Zwei Minuten«, sagte Cohl. »Eins neunundfünfzig…«
Pirius brachte sie zum Schweigen.
Lautlos fiel die Claw durch den Raum; es fühlte sich an, als stünde sie still. Der Xeelee rückte langsam näher, geräuschlos und unspektakulär. Selbst der Neutronenstern würde bis auf ein paar Sekunden, in denen sie ihm am nächsten waren, nicht zu sehen sein. Es war, als glitten sie eine ebene, unsichtbare Straße entlang.
Die Crew arbeitete ruhig weiter; alle drei riefen einander Zahlen und kurze Anweisungen zu. Die Assimilator’s Claw war bis zum Rand mit empfindungsfähiger und anderer künstlicher Intelligenz angefüllt, und ihre Systeme konnten Daten viel schneller verarbeiten als das menschliche Gehirn. Aber diese Systeme sollten den Menschen lediglich helfen, Entscheidungen zu treffen, ihnen die Entscheidungen jedoch nicht abnehmen. Darauf basierte die Konstruktion der Grünschiffe, was wiederum die Politik der Koalition unter der Herrschaft der Doktrinen widerspiegelte. Dies war ein von Menschen geführter Krieg, und das würde auch immer so bleiben.
Pirius hatte nicht das Gefühl, in tödlicher Gefahr zu schweben. Und dennoch würden diese Sekunden, die in seinem Kopf erbarmungslos abliefen, wahrscheinlich die letzten seines Lebens sein.
Direkt vor ihnen loderte blaues Licht auf – Überlicht-Blau
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