Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
nicht, wie lange sie sich schon in diesem feuchten Keller befand, der nur von dem flackernden Licht einiger blanker Glühbirnen erhellt wurde. Sie wusste nicht, was schlimmer war, sich in der Gewalt einer Sternenbestie zu befinden oder mit ansehen zu müssen, wie Mikael litt. Seit sie von den Sternenseelen wusste, hatte sie sie für eine Art unbesiegbarer Wesen gehalten. Ihn nun auf ein Gitter geschnallt zu sehen, vollgepumpt mit Chemikalien, drohte sie ihren Verstand vor Angst zu verlieren.
Immer wieder fiel sein Kopf zur Seite, Schweißtropfen rannen trotz der Kälte seinen Nacken hinab.
»Bleib bei mir«, schluchzte sie. Sie hatte noch nie zuvor solche Angst gehabt. »Bitte gib nicht auf.«
Er versuchte zu lächeln. »Lass mich nur einen Augenblick schlafen, dann bin ich wieder für dich da.« Er hustete, und schwarzer Schleim quoll über seine Lippen. »Es ist nur der Tag. Keine Sorge.«
Doch sie erkannte die Lüge in seinen qualvoll geweiteten Augen. Er hatte ebenso viel Angst wie sie, nur bemühte er sich, für sie mutig zu sein.
»Sie werden uns finden. Samuel weiß, dass Michelle die Sternenbestie ist.«
»Das wird uns nicht retten«, krächzte er heiser. »Bis dahin hat sie ihr Ziel erreicht – was auch immer das sein mag. Fynn hat keine Ahnung, wo wir sind.«
Calista sah an ihren eigenen Fesseln hinab. Die Stricke schnitten blutig in ihr Fleisch, doch sie nahm den Schmerz nicht mehr wahr. »Ich hole uns hier raus. Irgendwie schaffe ich das.« Durch das Blut hatten sich die Fasern gedehnt, sodass sie nach einigen Versuchen eine Hand herauswinden konnte. Schnell hatte sie auch die andere befreit, um sogleich zur Tür zu stürmen, nur um festzustellen, dass sie verriegelt war. Frustriert rüttelte sie an ihr, ließ aber sogleich wieder davon ab, als ihr bewusst wurde, dass sie damit nur Michelles Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Stattdessen eilte sie zu Mikael, falls es ihr gelang, ihn zu befreien, war er vielleicht stark genug, um sie aufzubrechen, doch ihn hatte Michelle mit langen Metallketten gefesselt, die so schwer waren, dass sie sie kaum anheben konnte.
»Das hat keinen Sinn. Du musst mich zurücklassen. Ich werde sie aufhalten. Sobald sie kommt, gibst du vor, noch gefesselt zu sein. Ich lenke sie ab und gebe dir ein Zeichen. Dann rennst du los und blickst nicht zurück. Wir haben nur diese eine Chance.«
»Ich lasse dich nicht zurück«, flüsterte sie.
»Das musst du.« Er hob einen Arm, in dem ein halbes Dutzend Schläuche und Nadeln steckte. »Mir fehlt die Kraft.«
»Das kann ich nicht.«
»Tu es für mich. Jemand muss Fynn warnen.«
»Wie hältst du es nur mit diesem Kerl aus? Er ist so …«
»… ehrlich?«, unterbrach er sie.
»… rücksichtslos, kalt«, vollendete sie ihren eigenen Satz.
»Das täuscht. Er hält nur nichts von Lügen. In seinen Augen ist es ein Zeichen von Schwäche, wenn man nicht zu seinen Taten und seinem Ich stehen kann.«
»Das ist doch vollkommener Unsinn.«
»Tatsächlich?«
Sie nickte. »Mit Ehrlichkeit kommt man nicht weit.«
»Reduzierst du alles nur auf den finanziellen Erfolg?«
»Gibt es noch etwas anderes?«
Er sah sie traurig an. »Auch wenn du versuchst, es zu verdrängen, aber es existieren noch andere Dinge. Freundschaft. Geborgenheit. Glück.«
Sie schnaubte verächtlich. »Von einem Jäger hätte ich mehr als dieses sentimentale Gelaber erwartet.«
»Tu es nicht so leichtfertig ab. Du bist noch so jung, du kannst deinem Leben noch eine andere Wendung geben.«
»Und wohin haben dich deine Werte gebracht?«
»Ich bin genau da, wo ich sein sollte.«
»Gefesselt in den Händen einer Wahnsinnigen?«
»Und der Möglichkeit, eines der schrecklichsten Monster, die je auf Erden wandelten, zu vernichten. Wenn auch nicht durch meine Hand, dann durch das Wissen, das du ihnen liefern wirst. Ich kann endlich wiedergutmachen, was ich in meiner Vergangenheit getan habe.«
»Was wird das schon Schreckliches gewesen sein?« Sein ehrenhaftes Verhalten trieb sie in den Wahnsinn. Er sprach, als wäre er schon tot, als hätte er mit seinem Leben abgeschlossen, und das wollte sie nicht akzeptieren. Er musste kämpfen. Als er ihr in den folgenden Minuten seine Geschichte erzählte, verstand sie ihn zwar besser, aber es bestärkte sie nur noch mehr in dem Entschluss, ihn nicht einfach aufzugeben. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass das gequirlte Kacke ist?«, fragte sie in bewusst provozierendem Tonfall.
»Nicht so.« Ein Lachen
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