Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
ausgeschaltet war, empfand sogar Genugtuung, dass sie tot war. Teils aus Eifersucht, teils aus Rachegelüsten. Auf der anderen Seite tat es ihr unendlich leid, was Raphael jetzt durchmachen musste. Er hatte seinen Zwillingsstern nun zum zweiten Mal verloren.
»Er behauptet, dass sie wieder zu sich selbst fand, aber ich halte das für einen Trick. Ich hatte die Gelegenheit, sie zu töten, und ich habe sie ergriffen.«
Fynn nickte. »Das war richtig. Auf die Befindlichkeiten eines Einzelnen darf man im Krieg keine Rücksicht nehmen.«
Lilly sah ihn an und fragte sich, ob sie einst auch so denken würde. Brachte das das Leben als Sternenseele mit sich? Kapselte man sich irgendwann von seinen Gefühlen ab, um nicht noch länger verletzt zu werden? Oder war Fynn schon immer so gewesen? Ein Relikt aus brutaleren Zeiten?
Sie schloss die Augen und strich sich durch die Haare. War sie wirklich besser? In dieser schweren Zeit hatte sie ihm nicht beigestanden, sondern mit Vorwürfen überhäuft und von ihm verlangt, seinen Zwillingsstern zu verlassen, während sie sich in ihrer eigenen Zerrissenheit wand. Ich hätte ihm helfen müssen, dachte sie. Ihn bei allem unterstützen und darauf vertrauen, dass ihre Liebe stark genug war, um das zu überstehen, dass sie immer eine Lösung finden würden. Das war es doch, was Liebe ausmachte. Keine Bedingungen. Was für eine Närrin sie war! Sie hoffte, dass es noch nicht zu spät war und dass sie noch die Gelegenheit erhalten würde, sich bei ihm zu entschuldigen.
»Und wo ist Mikael?«, fragte sie in die betretene Stille hinein.
»Wir wissen es nicht.« Selbst auf Fynns Gesicht zeichnete sich Sorge ab. »Seit der Schule ist er verschwunden.«
»Irgendetwas scheint hier in der Luft zu sein«, murrte Shiori. »Ständig kommen und gehen alle, wie es ihnen gerade passt.«
»Soll ich Samuel anrufen?«, fragte Lilly. »Vielleicht weiß er etwas.«
»Nicht nötig«, sagte Anni. »Er ist vermutlich bei der Sternenhüterin. Michelle hat ihn gesucht, um es ihm auszurichten.«
Lilly wurde blass. »Michelle?«
»Ja? Alles in Ordnung mit dir?«
»Das ist das, worüber ich mit euch sprechen wollte. Samuel und Calista glauben, dass sie Lucretia ist. Und nun ist auch Calista verschwunden.«
»Und das sagst du erst jetzt?«, fuhr Ras sie an.
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich wollte auf alle warten, damit wir in Ruhe gemeinsam darüber sprechen können.«
»Wie auch immer.« Fynn hob die Hand. »Das ist kein gutes Zeichen. Wir müssen unsere nächsten Schritte überlegen.«
»Da wäre noch etwas«, sagte Torge in die aufbrandende Stimmenflut hinein. »Bevor sie starb, sagte Amadea, dass Lucretia den Körper wechseln kann. Keine Ahnung, ob da etwas dran ist.« Er zuckte mit den Schultern.
»Das würde erklären, warum mir vorher nie etwas an ihr aufgefallen ist«, flüsterte Lilly.
»Aber wie kann das sein?«, fragte Shiori.
Da meldete sich zum ersten Mal Andromeda zu Wort, und ihre Stimme durchdrang sie alle, obwohl sie so leise sprach, dass es fast ein Flüstern war. »Es war immer eines ihrer Ziele, nicht mehr an einen Wirt gebunden zu sein, sondern sich frei von Mensch zu Mensch bewegen zu können. Ich hätte niemals schlafen dürfen – zu viele Dinge sind in meiner Abwesenheit geschehen.«
Fynn ging zu ihr und kniete sich vor sie, wobei er eine Hand auf ihren schmalen Oberschenkel legte. »Ihr habt das Richtige getan, Herrin.« In seinen Augen lagen eine ungewohnte Sanftheit und ein Respekt, dem er keinen anderen zollte. »Ihr dürft nicht zu viel von Euch verlangen.«
Andromeda legte den Kopf schräg und lächelte ihn mit einem undeutbaren Ausdruck an.
»Stellt euch das vor«, flüsterte Anni. »Sternenbestien, die ihre geschwächten Körper zurücklassen oder sich Wirte in bedeutenden Positionen suchen können, ohne sich selbst hocharbeiten zu müssen.«
Von da an entbrannte eine heftige Diskussion, bei der sich keine Einigkeit abzeichnete. Jeder verfolgte seine eigenen Ziele und war nicht bereit, den anderen entgegenzukommen. Shiori gelüstete es nach Blut, Anni wollte lieber erst auf Raphael warten und nach ihm sehen, Ras verlangte es nach mehr Informationen, und Fynn hätte am liebsten sofort zugeschlagen.
Das einzige Ergebnis kurz vor der Morgendämmerung war, dass man am nächsten Tag mit der Rektorin zusammenkommen würde, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Selbst Fynn musste eingestehen, dass ihr weiteres Handeln sorgfältig geplant werden musste.
Sie wusste
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