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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Essen ein reines Hemd an. Der Geruch nach Brathuhn und frischgebackenem Brot wehte ihr entgegen, als sie den Flur hinabging, aber das Drücken in ihrem Magen rührte nicht vom Hunger her. Der Termin – sie mußte den Termin ankündigen.
    Heute abend? Wäre sie heute abend mutig genug? Die Worte waren leicht gesagt. Alles, was sie tun mußte, war, die Aufmerksamkeit ihrer Mutter zu erbitten und die Worte auszusprechen.
    Wenn Juaren nicht am Tisch wäre, würde sie es vielleicht heute abend tun. Vielleicht würde sie heute abend den Mut finden. Sie gelobte es sich stumm, als sie den Korridor hinabging.
    Als sie den Saal betrat, hielt sie die Luft an. An den langen Tischen waren bereits Palastarbeiter beim Essen, sprachen ruhig miteinander und lachten. Juaren war nicht dort.
    Also heute abend. Sie fröstelte, und der Appetit verließ sie.
    Niemand sah auf, als sie zu ihrem Platz neben ihrer Mutter ging. Sie setzte sich und musterte Khira heimlich; verglich die Stärke ihrer Mutter mit ihrer eigenen offensichtlichen Zerbrechlichkeit. Khiras Hände waren lang und kräftig; ihre eigenen waren zartgliedrig und blaß. Die Gesichtszüge ihrer Mutter waren stark ausgeprägt, ihre eigenen schwach. Das Haar ihrer Mutter war schwarz verbrannt vom Sonnenlicht, das sie in ihrem Sonnenstein einfing und im Tal ausbreitete. Reynas Haar war kastanienbraun und seidenweich. Und die Augen ihrer Mutter ...
    Augen, die Feuer schauen, nannten die Talbewohner die Augen der Barohna; tief und entrückt und weitblickend. Heute abend richteten sie sich auf Reyna, und Reyna fing die Pein auf, die für einen unbewachten Augenblick in ihnen sichtbar war. Erschrocken prallte sie zurück.
    »Frische Eier, Tochter?« fragte der Servier-Diener und beugte sich vor.
    Nein«,
lehnte Reyna impulsiv ab. Schmerzte es ihre Mutter so sehr, sie anzuschauen? Dachte sie derart gering über die Vorbereitungen, die Reyna für die Prüfung traf? Instinktiv
    preßte sie die Hände gegen die Oberschenkel, befühlte die neue Stärke ihrer Muskeln dort und versuchte, aus ihr neue Sicherheit zu gewinnen. Sie war zart, aber das traf auf alle Palasttöchter zu. Khira war ebenfalls einst zart gewesen, be% vor sie ihrer Prüfung begegnet war.
    Meine Mutter ...« sagte sie rasch. Sie mußte ihr jetzt den Termin nennen, bevor sie den Mut verlor.
    Khira seufzte tief und schob ihr halbgegessenes Essen von her, sie nahm kaum wahr, daß Reyna gesprochen hatte. Meine Tochter, wir müssen miteinander reden«, sagte sie. komm in den Thronsaal, wenn du gegessen hast.« Ich soll ...? Ja, ich werde kommen«, erwiderte Reyna bedächtig mit ersterbender Stimme.
    Was konnte sie sagen, da ihre Mutter aufgestanden war und schon davonschritt? Reyna sah mit derselben bösen Vorahnung hinter ihr her, die sie gehabt hatte, als sie Aberra den Berghang emporklimmen gesehen hatte. Erst der Schmerz in den Augen ihrer Mutter, dann diese überraschende Vorladung. Was hatte sie zu bedeuten? Glaubte ihre Mutter, daß sich nur unzureichend vorbereitete? War sie der Ansicht, daß Reyna ihren Gang schon allzu lange vor sich hergeschoben hatte?
    Huhn, Tochter?« Der Servier-Diener beugte sich wieder zu ihr, bereit, Reynas leeren Teller zu füllen.
    Sie hatte keinen Hunger. »Nichts«, flüsterte sie und glitt vom Stuhl.
    Es gab Winkel im Palast, in die sie sich verkroch, wenn sie Kummer hatte; der kleine, ummauerte nördliche Platz, der Schreibraum, die Webkammern. An all diesen Orten lebte die Zeit; vermischten sich Sage und Realität. Heute abend wählte sie den Turm. Sie erklomm gemächlich die Steinstufen, das Gesicht im orangen Licht der Stengellampe gebadet, die an den feuchten Wänden hochwuchs. Als sie am Fenster ankam, lehnte sie sich auf das rauhe, steinerne Fensterbrett und sah über das Tal hinaus.
    Es gab wenig genug zu sehen, so kurz nach Sonnenuntergang. Von den Feldern, die ihre Mutter tagsüber erwärmt hatte, schwebten Dünste empor und verdeckten die Sterne, Die Monde waren noch nicht aufgegangen. Die einzige Lichtquelle waren die Sonnensteinplatte auf der Plaza und das blinkende Landelicht, das die Arnimis an ihrem Teil des Palastes angebracht hatten.
    Reyna betrachtete es für eine Weile und fragte sich müßig, warum Juaren die Arnimis mit so großem Interesse beobachtete. Dann spürte sie die Mühen des heutigen Trainings schmerzhaft in den Schultern, stieg wieder vom Turm und ging in den Thronraum.
    Sie hatte erwartet, ihre Mutter allein in der großen überwölbten Halle

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