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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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merklich stiller geworden war. Selbst die Stimmen, die aus den Wänden erklangen, sprachen ruhiger; nicht mehr so dringlich und schnarrend. Reyna preßte die Fingerspitzen gegen ihre brennenden Lider und versuchte, sie zu kühlen, während sie Verra folgte.
    Danach führte Verra sie durch ein rundbogiges Portal, und das ganze Universum prallte gegen Reynas Augenlider. Sie waren durch einen Vorhang aus Plastikketten in eine größere Kammer getreten, deren Wände sanft gekrümmt und durchsichtig waren. Hinter diesen Wänden strahlten die Sterne;
    und nichts behinderte die Sicht auf sie als ein schmales, schwarzes Geländer, das sich der Krümmung der durchsichtigen Wände anpaßte. Reyna stockte der Atem, während sie gebannt den brillanten Ausblick genoß. Einige Schritte weiter in den Raum hinein war selbst der Boden durchsichtig. Sie starrte hinab, und plötzlich war ihr schwindelig; sie wußte, wenn sie noch einen Schritt vorwärts machte, würde sie das Gleichgewicht verlieren und gewichtlos in die Tiefe trudeln, auf ...
    Auf was? Welche Welt lag unter der
Narsid?
Wenn sie die Balance verlöre, wenn sich der Boden unter ihren Füßen öffnete – wie lange würde sie taumeln, bevor sie wieder Boden
    berühren würde? Würde sie für alle Zeiten zwischen den Sternen hindurchfallen? War jemals jemand von einem Schiff wie die
Narsid
gefallen? Sie versuchte sich vorzustellen, welche Legenden man über diejenigen erzählen würde, denen so etwas widerfahren wäre.
    Sie versuchte sich vorzustellen, welche Legenden man in den Tälern von Brakrath erzählen würde, wenn sie die erste sein würde, die fiele.
    »Möchtest du dich am Geländer festhalten?« schlug Verra vor.
    »Nein«, antwortete sie bestimmt. Denn um das Geländer zu erreichen, hätte sie den Boden überqueren müssen. Sie hätte über die Sterne gehen müssen. Sicherlich würde niemand unter diesen Umständen den ersten Schritt machen wollen.
    Aber es waren noch mehr Leute am Geländer. Sie wurde sich dessen nach und nach bewußt, als sie sich an das Funkeln der Sterne gewöhnt hatte. Eine große Frau mit spindeldürren Gliedern und Krallen an den Händen. Ein hohlwangiger Mann, der sogar noch größer war. Zwei Menschen, die vollständig in Schwarz gekleidet waren und von denen nur die Augen zu sehen waren. Und Juaren war anwesend; er war in Felle und Pelze gekleidet. Er wandte sich um, als er ihre Stimmen hörte. Ein kurzes Aufblitzen seiner Augen zeigte, daß er erleichtert war, hier ein bekanntes Gesicht zu sehen: Reyna. Aber sogleich verbarg er das verräterische Gefühl und sah Reyna mit wachsamen Augen an.
    Sie bemerkte gleich darauf, daß er ihre Verwirrung erkannt hatte und darauf wartete, was sie tun würde. Er wollte sehen, ob sie den Mut hatte, über die Sterne zu gehen.
    »Du würdest dich am Geländer weit sicherer fühlen, Reyna«, sagte Verra auffordernd.
    Sie wußte, daß es nicht so sein würde. Aber Juaren hatte einen Fuß in die Leere gesetzt. Wie konnte sie weniger tun?
    Sie biß die Zähne zusammen und legte die geringe Distanz mit tastenden Schritten zurück; so, als schritte sie über ein unsicheres Gesims, oder als erwarte sie jeden Moment, daß Felsbrocken vom Berghang herabkollerten und sie überrollten.
    Dann griff sie nach dem Geländer. Sie blickte instinktiv geradeaus statt nach unten und fühlte sich jetzt sicherer. Erleichtert holte sie tief Luft. Als das Schiff eine Weile nicht geschlingert hatte, löste sie ihren verkrampften Griff um das Geländer und wandte sich Juaren zu. Verwundert sah sie, daß er das Geländer sogar noch fester umklammerte als sie; seine Finger waren weiß. Er schaute wehmütig auf eine Stelle links oben; sein Gesicht war bleich und unbewegt, wie in Stein gemeißelt. Reyna runzelte die Stirn und folgte seinem Blick.
    Instinktiv wußte sie, was sie dort sah. Da schlossen sich auch ihre Hände wieder fest um das Geländer.
    »Unsere Sonne ...« sagte sie.
    Er nickte heftig; seine Lippen waren fahl. »Ein Aufseher war eben hier. Er hat sie mir gezeigt. Wenn du dorthin siehst, kannst du ein Dreieck innerhalb eines größeren erkennen. Unsere Sonne ist an der oberen Spitze der inneren Figur.«
    Sie suchte am Himmel umher. »Dort?« fragte sie unsicher.
    Neben dem roten Stern? Ist das Adar?«
    Adar war der Gastgeber-Stern ihrer Mutter; er war von Brakrath aus nur in den dunkelsten Wintertagen sichtbar.
    »Ich weiß nicht, welcher Stern Adar ist. Ich kann es von hier aus nicht sagen. Aber unsere Sonne ist

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