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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Hallenleute, tat sie es mit erhobenem Kinn und stetem Blick.
    Reyna besaß nicht die Augen einer Barohna, aber sie straffte sich innerlich, als sie Verra über die belebten Korridore begleitete, und hielt den Blicken all derer stand, die ihnen entgegensahen.
    Dunkle Augen, blasse Augen, schmale Augen; Augen mit spezialisierten Linsen und Augen mit seltsam geformten Lidern; Augen, die so groß und dunkel waren, daß sie keine Pupillen zu haben schienen; Augen, die so rot waren oder so schielten, daß es weh tat, sie anzuschauen. Sie hielt den Kopf unverwandt hochaufgerichtet und begegnete ihnen allen und versuchte so unbeugsam auszusehen, wie ihre Mutter ihr zu sein eingeredet hatte.
    Aber als sie im Speisesaal ankamen, war sie nur fähig, ein paar Bissen von der Platte zu essen, die Verra ihr holte. Dann saß sie so steif dort, daß ihre Muskeln schmerzten. Ihr wurde bewußt, daß sie nicht einmal wußte, welches Mahl sie zu sich nahmen. Hatten sie den ganzen Nachmittag geschlafen? War dies ihr Abendessen? Oder war es erst Mittag? Das grelle Licht, das den Eßbereich erleuchtete, sagte nichts über die Tageszeit aus.
    »Weißt du, wie spät es ist?« wagte sie endlich zu fragen, als Verra ihre Platte wegschob.
    »Früher Nachmittag Schiffszeit. Oder hoher Nachmittag nach unserer Zeit.« Verra blickte in die Runde. »Weshalb besuchen wir nicht die öffentlichen botanischen Räume? Möglicherweise finden wir Juaren dort – oder in der zoologischen Sektion.«
    »Ja, gut«, stimmte Reyna zu. Juaren wäre wenigstens ein bekanntes Gesicht. Und er würde nicht wie alle anderen auf dem Schiff versuchen, ihre Stimmung und ihren Wert überhaupt allein aus der Art zu erraten, wie sie sich benahm.
    Aber sie begegneten Juaren erst viel später. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Reyna schon in ihre Pose hineingelebt.
    Sie war aufrecht durch so viele Flure geschritten, war so vielen Blicken begegnet und hatte derart häufig bemerkt, wie sich Leute umgedreht und ihr verstohlen nachgeblickt hatten, daß sie anfing, sich als das zu fühlen, was sie nach Verras Worten war. Sie war drauf und dran zu glauben, daß sie nicht nur ein Kind in der Verkleidung einer Frau war.
    Sie besuchten die Anbausektion; Reyna sah Ranken, die sich nach Musik wiegten, und Blumen, die sich aus dem Samen entwickelten und zur Blüte reiften, während sie zusah.
    Sie besuchten das zoologische Areal, und sie erblickte Geschöpfe so artenreich wie die Welten, von denen sie stammten; einige waren munter und schritten umher, andere wurden bis auf wenige Stunden am Tag in künstlicher Starre gehalten. Am späten Nachmittag schauten sie in der vorderen
    Halle dem Tanz der Tathemeder zu, die ihre schlanken, anmutigen Leiber derart ausdrucksvoll bewegten, daß sogar Reyna verstand, was sie zu sagen hatten. Im Anschluß daran traten andere Gruppen auf und boten ihre Kunstfertigkeiten dar; und das Publikum war so vielfältig, daß Reyna sich außerstande sah, sich die Namen all der Welten zu merken, von denen sie nach Verras Erklärungen stammten.
    Anfangs bemerkte sie es kaum; aber ihre Sicherheit verließ sie allmählich. Sie schaute sich um und fing an, sich unter den fremdartigen Menschen in der Halle verloren zu fühlen. War sie die einzige, für die all diese Dinge neu waren und erregend, beinahe überwältigend? War sie die einzige, die dieses Gemisch so vieler Gerüche verwirrend fand? War sie die einzige, der das grelle Licht in den Augen weh tat?
    War sie die einzige, die nach nichts weiter verlangte, als in ihr Gemach zurückzugehen, in ihr Bett, um zu versuchen, mit all dem klarzukommen, was sie gesehen und gehört hatte?
    Aber sie hatte kein Gemach auf der
Narsid.
Sie hatte nur eine Zelle. Und sie glaubte nicht, sich in wenigen Stunden an alles gewöhnen zu können. Sie würde viel länger dafür brauchen.
    Verra berührte sie am Arm. »Es reicht dir, stimmt's?«
    Reyna nickte zaghaft. Es war tatsächlich genug. Sie sehnte sich danach, diesen Leuten zu entfliehen; den Gerüchen und den Lichtern. Aber sie mochte nicht in das enge Quartier mit der gemalten Sonne eingepfercht sein.
    »Gibt es einen Ort, wohin wir gehen können, wo ...« Was wollte sie? Wie sollte sie es nennen? Ruhe? Einsamkeit? Ihre Unterkünfte waren ruhig und abgeschieden.
    »Es gibt einen Ort, den ich dir noch nicht gezeigt habe. Er wird weniger überfüllt sein als dieser hier, besonders um diese Zeit«, sagte Verra und erhob sich.
    Sie führte sie durch lange Korridore, auf denen es jetzt

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