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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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die kleine. Die Nasse. Wenn du eine Linie ziehst zwischen dem roten und dem kleineren gelben Stern ...« Er tippte auf die durchsichtige Barriere, die sie von den Sternen trennte, »... wenn du sie verbindest, liegt unsere Sonne darunter.
Dort.«
    Das war ihre Sonne? So schwach? So blaß? Sie konnte kaum ihr Licht unterscheiden. »Bist du sicher? Der Aufseher, woher wußte der Aufseher, nach welchem Stern du Ausschau gehalten hast?«
    »Er kannte mich. Wonach hätte ich sonst schauen können?« Er sprach scharf, als hätte sie ihn herausgefordert. Und sie sah, daß seine Hände das Geländer noch fester um-krampften. Offenbar machte ihn die unbedeutende Leuchtkraft ihrer Sonne ebenso kleinmütig wie sie.
    »Ich dachte ... ich dachte, sie wäre größer«, sagte sie. Und heller. Hervorragender unter den anderen Sternen. Aber wenn dieses klägliche Scheinen alles war, was nötig war, um du. Leute auf Brakrath zu ernähren, ihre Sommer warm zu wachen und ihre Feldfrüchte reifen zu lassen ...
    Ihre Stirn umwölkte sich, und unwillkommene Ideen regten sich im Hintergrund ihres Denkens.
Falls
dies alles war, was benötigt wurde? Aber wenn ihre Sonne ausreichte, n drum mußte ihre Mutter dann Sonnenlicht von den kahlen Berghängen ins Tal ziehen, um das Wachstum zu unterstützen? Warum mußten sich Palasttöchter opfern und auf dem Berg sterben? Wenn es ausreichte, warum waren ihre Schwestern dann tot? Warum hatte ihr Vater das Tal verlassen? Warum trug ihre Mutter ein Kind von Juaren?
    War es das, was Verra mit neuen Perspektiven meinte? Daß sie ihre lebensspendende Sonne als das sah, was sie war – ein blasser Stern unter helleren Artgenossen? Reyna fing erneut an, sich leer zu fühlen, wie schon am Morgen, als Brakrath an Backbord der
Narsid
zurückgefallen war. Ihre Brust zog sich schmerzlich zusammen. Ihre Hände am Geländer wurden kalt.
    Einiges von dem, was sie empfand, mußte in ihrem Gesicht zu lesen gewesen sein, denn Verra und Juaren starrten sie an; Verra interessiert und Juaren mit zusammengekniffenen Lippen; sein Gesicht war unerwartet schutzlos. Reyna scheute vor den Blicken zurück, sie wünschte, sich abzuwenden und sich in ihre Kabine zu begeben.
    Ihre Sonne war ein blasser Stern – und was war sie? Ein Kind, dem man Steine in die Ohren gehängt und eine Maske aufs Gesicht gemalt hatte und das sich selbst als Frau sah. Sie betrachtete die Sterne und fühlte sich in ihren smaragdfarbenen Coverall hineinschrumpfen.
    Sie konnte nicht hier bleiben. In ihrer Kabine wäre wenigstens niemand Zeuge, wie sie kleiner wurde.
    Aber ein gewisser restlicher Stolz hielt sie zurück. Sie holte tief Luft; ärgerlich über ihren Kleinmut.
    »Du hast mir nie erzählt, weshalb du zu uns gekommen bist«, sagte sie. »Meine Mutter hat dich zweimal gefragt, aber du hast nicht geantwortet.«
    »Weshalb ich gekommen bin?« Offenbar hatte sie die falsche Frage gestellt. Plötzlich war er verschlossener denn je, sogar abweisend.
    »Weil ich ein Versprechen abgegeben habe. Und weil ich ein Jäger bin.«
    Was für eine Antwort war das? Und weshalb weigerte er sich, ihr seine Gründe anzuvertrauen? Weil sie ihm gegenüber unhöflich gewesen war, als er sich ihrer Mutter verpflichtet hatte? Oder hatte er andere Beweggründe? Sie sah auf seine Hände, die das Geländer so fest umklammert hielten, daß die Knöchel weiß hervortraten. So, wie er sich benahm, schien es fast, als verberge er ängstlich eine gewisse Verletzlichkeit vor ihr.
    »Du bist also gekommen, um Beute zu schlagen?« vermutete sie. Es schien ihr wichtig, zumindest soviel zu verstehen.
    »Ich bin gekommen, weil ich ein Versprechen abgab«, sagte er wieder. Seine Stimme war tief und angespannt.
    »Deinem Meister? Dem Meister deiner Gilde?« fragte sie auf gut Glück. »Aber weshalb sollte er dich auf eine andere Welt schicken, damit du dort jagst? Gibt es auf Brakrath nicht genug Felle? Ausreichend für alle Mitglieder deiner Gilde?«
    Er drehte sich abrupt zu ihr; seine Augen funkelten. »Du weißt nichts über meine Gilde«, sagte er. »Du weißt nichts iiber die Dinge, die mir mein Meister beigebracht hat.«
    Sie fuhr erschrocken zusammen. Wie hatte sie ihn so leicht wütend machen können? Dachte er, sie wollte seine Gilde mit ihren Fragen auf irgendeine Weise herabsetzen?
    »Ich kann mir vorstellen, was er dir beigebracht hat«, sagte sie. »Spuren lesen und verfolgen ...«
    Juarens Gesicht war angespannt, deutlich zeichneten sich die Knochen unter den Muskeln

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