Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide
stumm; jeder verfolgte seine eigenen Gedanken, bis sich die Tür öffnete. Verra stand im Eingang und betrachtete sie in ihrem Schweigen; Enttäuschung malte sich auf ihren Gesichtszügen ab.
»Ich habe euch hierhergebracht, damit ihr miteinander redet«, sagte sie endlich. »Ich habe eben mit Commander Cezari gesprochen. Wir gehen morgen früh in Verharrstellung, bald nach dem Wecken. Ich weiß, daß ihr nicht ernsthaft geredet habt. Es gibt keinen ehrlichen Dialog zwischen euch. Wenn ihr aber nicht miteinander sprechen könnt ...«
»Wir haben geredet«, unterbrach sie Juaren, erhob sich und nickte so beteuernd, wie er es einer Richterin gegenüber in ihrer Kammer getan haben würde.
Reyna stand ebenfalls auf und ahmte seinen formellen Gruß nach. »Und wir haben unsere Differenzen aufgelöst, Verra«, sagte sie. »Sei unserer Dankbarkeit versichert, daß du uns zusammengebracht hast.«
Verra sah zwischen den beiden hin und her und errötete plötzlich vor kaum verhohlener Freude. »Ihr habt geredet? Ich fürchtete schon, euch noch weiter entfremdet zu haben, indem ich versuchte, als Richterin zu fungieren.«
»Nein«, versicherte Reyna ihr. »Du hast uns einander zugeführt. «
Zumindest für die Dauer der Reise traf das zu. Reyna warf Juaren einen Blick zu und vertraute darauf, daß er ihr nicht widersprechen würde. »Wenn ich jemals ein eigenes Tal haben sollte, werde ich dir dort Amtsräume einrichten. «
Verra hatte sogar den richtigen Ort für die Konfrontation ausfindig gemacht; ein kleines Büro, das viel Ähnlichkeit mit den Kammern besaß, von denen aus die Richterinnen ihre Hallen verwalteten. Reyna zweifelte daran, daß sie selbst jemals dieselbe Einfühlsamkeit aufbringen könnte, um ein Problem zwischen zwei Arnimis zu lösen.
Die Freude in Verras Gesicht wurde noch deutlicher. Sie spielte nervös mit den Haaren; eine typische Arnimi-Geste, die Reyna immer irritiert hatte.
»Ich werde mich daran erinnern, Reyna Terlath«, sagte sie. »Ich werde das Angebot eines Büros in deinem Palast nicht vergessen. Und jetzt, nachdem ihr es fertiggebracht habt, euch auszusöhnen, würde es euch vielleicht gefallen, einen Ausflug zum Verharr-Raum zu machen. Ich bin sicher, daß euch der Vorgang weniger beunruhigt, wenn ihr ihn verstanden habt.«
»Natürlich«, stimmte Reyna zu, erfreut über das Leuchten, das sie auf Verras Wangen hervorgerufen hatte; obwohl sie beide wußten, daß sie niemals einen eigenen Palast oder ein Büro anzubieten haben würde.
Zum erstenmal, seit sie erfahren hatte, daß sie keine Barohna sein konnte, empfand sie keine Bitterkeit mehr bei diesem Gedanken. Sie hatte andere Verpflichtungen gefunden; wichtige Verpflichtungen. Es gab eine Gefahr, viele Gefahren sogar, die analysiert, und Leute, die aufgerüttelt werden mußten; und Birnam Rauth mußte auch noch gefunden wer. den, wenn er noch lebte. Sie wußte kein bißchen besser als vor wenigen Minuten, wie sie auch nur eines von diesen Dingen zustande bringen sollten. Sie wußte nicht einmal, ob sie überhaupt möglich waren. Aber sie fühlte sich nicht mehr so allein, ohne Vertrauen oder Platz.
Sie warf Juaren einen Blick zu und sah ihn zum erstenmal lächeln. Sie erwiderte das Lächeln; zunächst versuchsweise, dann überzeugt. Vielleicht hatten sie beide keinen Platz im Terlath-Tal oder in irgendeinem Tal. Vielleicht wäre er immer ein Winterkind und sie eine Palasttochter. Aber sie hätten einen gemeinsamen Platz; zumindest für eine Weile.
8 Tsuuka
Tsuuka streckte sich im Gras auf der Lichtung aus und pflegte sich, während Palaan und Kallir in der Nähe tollten, brummten und kindisch mit den Zähnen knirschten. Zuweilen schreckte sie auf, um spielerisch nach einem von ihnen zu schlagen oder den anderen zu besänftigen, wenn ihr Kampf zu ernsthaft wurde. Das Gras war warm, die Sonne schien hell, und ihre Jungen und Nestlinge waren bereits alle gefüttert; und sie selbst war auch satt. Tsuuka hätte keine anderen Sorgen mehr haben müssen, als sich zu säubern und die Mittagssonne ihr Fell trocknen zu lassen.
Aber ihre wohlverdiente Muße erwies sich angesichts der lobenden Jungen als rein theoretisch. In Dariims gutmütigem Knurren war heute eine Andeutung von Wildheit, und in ihren Augen lag ein halbversteckter Glanz. Nicht der Glanz des Unbehagens oder Vergnügens, sondern eher einer Heimlichkeit; von etwas, das sie verwegen durch die Bäume springen ließ; das Wild verschrecken und die weiße Rinde der
Weitere Kostenlose Bücher