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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Die Menschen können schon seit langer Zeit auf jede Waffe verzichten.«
    »Natürlich können sie das. Bei einer derartigen Auswahl an friedlicher Technik …«
    Ich trat an ihnen vorbei in den Gang hinaus, Tag und Han blieben hinter mir, in meinem Rücken.
    »Geh vor, Rimer, wir sagen dir die Richtung.«
    »Hast du meinen Namen schon vergessen, Han?«
    »Was soll das, Nik?«, fragte Tag. »Du weißt doch, dass du in deinen Rechten eingeschränkt bist.«
    »Ja, schon gut. Wohin?«
    »Zum Ausgang. Und dann zur Transportkabine.«
    In dem Krankenhausblock, in dem der Karzer lag, herrschte gähnende Leere. Wir liefen an den durchscheinenden Wänden der Zimmer mit den sorgfältig gemachten kleinen Betten entlang, an dem großen, schneeweiß blitzenden Operationssaal, kamen in einen Gang, der bereits zum allgemeinen Internatsteil gehörte, und hielten auf die Tür zu. Unter der Kupferglocke am Eingang stand noch immer der kleine Junge. Er sah mich mit nahezu heiligem Entsetzen an.
    Armer Lotti. Wie lange deine sinnlose Wacht am Internatseingang wohl noch dauern wird …?
    »Ri … Nik, versprich mir, dass du nicht versuchst abzuhauen.«
    »Warum das?«
    »Ich will die Kinder nicht mit dem Anblick der Waffe erschrecken.«
    »Gut«, lenkte ich ein. »Steck sie weg.«
    »Aber ich kann sie jederzeit ziehen«, warnte mich Han.
    Da fing ich an zu lachen. Was sollte das? Spielten sie selbst heute noch Regressor?
    So verließen wir Mütterchens Licht, drei Freunde, einer lachend, die beiden anderen noch über den Witz grübelnd …
    Ich bedauerte ein wenig, dass Katti nicht noch kam. Dagegen freute mich, dass Fed weggeblieben war. Als wir den Waldrand fast erreicht hatten, blickte ich noch einmal zurück auf das Internatsgebäude und meinte, hinter dem flugs erlöschenden Fenster im dritten Stock die Figur des Ausbilders erkannt zu haben. Ob wir uns je wiedersehen würden?
    Der Weg zurück zur Kabine kam mir kürzer vor. Da es bereits dämmerte, achteten Tag und Han darauf, sich dicht hinter mir zu halten. Die beiden waren nervös. Na klar, vielleicht würde ich mich plötzlich in das Wäldchen schlagen, mich dort verstecken und nachts die Kinder erschrecken, indem ich in dem friedlichen Park Geschrei und das Geräusch von Ohrfeigen produzierte …
    Das ist ein gutes Wort, Ohrfeigen. Wer sich das ausgedacht hatte … Dehnbar und kränkend.
    »Nik …«, ließ sich Tag hinter mir zaghaft vernehmen. »Nik, hörst du mich?«
    »Ja.«
    »Wir werden versuchen, eine Revision der Entscheidung zu erlangen. In einem Jahr oder in zweien. Wenn deine Genesung Fortschritte gemacht hat.«
    »Was ist ein Sanatorium, Tag?«
    »Ein Ort, an dem asoziale Verhaltensformen behandelt werden.«
    »Und wie?«
    »Das weiß ich nicht, Nik.«
    »Gibt es nur ein einziges Sanatorium für die ganze Heimat?«
    »Natürlich nicht.«
    »Das heißt, es gibt viele mit asozialen Neigungen?«
    Lange Zeit sagte niemand ein Wort.
    »Das wissen wir nicht, Nik«, räumte Han schließlich ein. »Es gehört sich nicht, darüber zu reden.«
    »Ihr lebt ein bequemes Leben, Leutchen.«
    Wenn ich mich nicht täuschte, seufzte einer der beiden.
    »Du hast einen Fehler gemacht, Nik«, sagte Tag. »Du hast dich absolut unanständig verhalten. Direkt widerlich.«
    »Ich werde ja Zeit haben, meine bisherige Meinung zu ändern. Oder zu festigen. Werdet ihr mich besuchen?«
    »Ich weiß nicht, ob das erlaubt ist«, gab Tag zu.
    »Verstehe. Wenn ihr wollt, bringt es in Erfahrung. Wisst ihr, wo ich hinkomme?«
    »Dein Sanatorium heißt Frischer Wind. Das merken wir uns.«
    »Ein schöner Name«, gab ich zu.
    Durch die Bäume drang schwaches Licht. Die Kabine schimmerte, das Plastik leuchtete, es zuckten fliederfarbene Blitze darüber.
    »In unserer Kindheit sind wir gern hierhergekommen«, sagte ich. »Wir haben uns im Gebüsch versteckt und dieses Licht beobachtet. Und davon geträumt, dass jemand ins Internat kommt und wir uns mit ihm unterhalten. Dass wir den Kopf gegen seine zärtliche Hand schmiegen. Vielleicht würden uns ja auch einmal unsere Eltern besuchen. Obwohl das absolut unwahrscheinlich war.«
    Hinter mir breitete sich Stille aus.
    »Du erinnerst dich daran?«, fragte Tag.
    »Nein, Freunde. Ich weiß, dass es so gewesen ist.«
    »Wieso das?«
    »Weil ich ein kranker, asozialer Typ bin.«
    Vor der Kabine blieb ich kurz stehen und genoss das Spiel des Lichts. »Welche Nummer hat die Kabine im Frischen Wind ?«, erkundigte ich mich.
    »Dort gibt es nur eine Kabine.« Tag

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