Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
Schützlinge zu erinnern!«
    »Ich erinnere mich auch an das Gedicht«, mischte sich Katti unvermutet ein. »Wie heute erinnere ich mich noch daran, wie du es vorgetragen hast, Niki …
     
    Der Leuchtturmwärter kann’s nicht ertragen
    Er liebt die Vögel zu sehr
    Egal sagt er Jetzt reicht’s!
     
    Und er macht alles dunkel
     
    In der Ferne sinkt ein Schiff.
    Ein Schiff von den Inseln kommend
    Ein Schiff mit Vögeln beladen
    Tausenden Vögeln von den Inseln
    Tausenden Vögeln die ertrinken.«
     
    »Das ist blanker Unsinn«, konstatierte der Ausbilder in scharfem Ton. »Und Katti erinnert sich nur daran, weil eure Beziehungen immer viel zu emotional waren. Natürlich hatte niemand etwas dagegen! Ihr wurdet für ein harmonisches Pärchen gehalten, und eure kindlichen Streiche …«
    »Sie sind ein Dreckskerl, Ausbilder«, sagte ich. Und gab ihm eine Ohrfeige.
    Keine sehr heftige.
    Denn ich wollte dem alten Mann keinen Schaden zufügen.
    Doch in der sicheren Überzeugung, dass der Moment gekommen war, da ein leichter Schlag auf die Wange lange und wirre Formen der Darlegung bezüglich der empfundenen Antipathie ersetzte.
    Fed taumelte, als hätte ich ihn mit voller Kraft geschlagen. Er presste die Hände vors Gesicht.
    Mir selbst wurden die Arme auf den Rücken gerissen.
    Ich schaute hinter mich. Tag und Han hielten mich unbeholfen, aber eifrig gepackt. Wo waren nur ihre Vorbehalte gegenüber jeder Form von Körperkontakt geblieben?!
    »Das ist nicht nötig«, versicherte ich. »Ich habe nicht vor, noch einmal zuzuschlagen.«
    Trotzdem ließen sie mich nicht los.
    Es wäre ein Leichtes gewesen, mich loszureißen, die beiden abzuschütteln und ihnen heftige Schmerzen und Verletzungen zuzufügen.
    Aber ich wollte meine Freunde nicht schlagen, selbst wenn sie im Unrecht waren.
    »Tausenden Vögeln die ertrinken …«, hauchte Katti, während sie langsam in die Ecke des Zimmers zurückwich. »Tausenden Vögeln die ertrinken …«
    Der Ausbilder löste die Hände vom Gesicht. Seine Wangen glühten gleichmäßig, jedoch nicht vom Schlag, sondern von seiner Wut. Die Röte stand ihm sogar.
    »Du bist mein größter Fehler, Niki« sagte er.
    »Ich bin der Einzige von Ihren Schützlingen, der ein Mensch geblieben ist«, erwiderte ich. Dann dachte ich nach und fügte hinzu: »Der ein Mensch geworden ist. Trotz allem.«
    »Niki …«, flüsterte mir Tag ins Ohr. »Entschuldige dich, Niki.«
    »Damit hast du dich zum Sanatorium verurteilt«, stellte der Ausbilder fest. »Zu einem lebenslänglichen Sanatoriumsaufenthalt.«
    »Ich werde mir die Variante durch den Kopf gehen lassen«, versprach ich.
    »Und mir bleibt die Schande …« Fed senkte den Blick. »Auf meine alten Tage noch diese Schande … für den Rest meines Lebens …«
    »Auch diese Frage werde ich versuchen zu klären«, versicherte ich. Kalter Wahnsinn schüttelte in Krämpfen meine Muskeln. Wenn Tag und Han auf die Idee gekommen wären, mich fester zu packen oder zu schlagen, hätte ich vermutlich nicht mehr für mich garantieren können. Dann wäre etwas Schreckliches und zugleich Wahnsinniges passiert …
    Sie hielten mich jedoch unverändert fest. Meine beiden unglücklichen Freunde, vor deren Augen es zu einer derart widerwärtigen Blasphemie gekommen war.
    »Der Leuchtturmwärter kann’s nicht ertragen …«, brachte Katti am anderen Zimmerende heraus. Dann lachte sie los, krampfhaft und tränenerstickt.

Vierter Teil

Der Mensch

Eins
     
    Die Zelle war winzig. Vier mal vier Schritt. Da hatte ich bei den Alari mehr Platz gehabt.
    Außerdem nahm die Hälfte des Raumes das Bett ein.
    Nicht mal umhergehen konnte man hier. Nur aufstehen, sich umdrehen, auf dem Fußboden Liegestütze machen … und sich danach wieder hinlegen. Gut, angeblich sollte ich hier nicht lange bleiben. Die Entscheidung würde diesmal nicht der Weltrat treffen. Schließlich handelte es sich ja nur um eine Lappalie. Daher würde die Entscheidung der Ausbilder Fed treffen. Unverzüglich und gerecht. Andere Ausbilder würden das Urteil bestätigen oder modifizieren.
    Das Resultat würde man mir mitteilen.
    Besonders komisch fand ich, dass sich das Ganze Reue des Ausbilders nannte.
    Formal galt ich als unschuldig. Denn ich war ja nur schlecht erzogen.
    In die Wand war ein Bildschirm eingelassen, der jedoch nicht funktionierte. Ein Terminal fehlte.
    Vier mal vier Schritt, und wenn man nicht übers Bett stiefelte, zwei mal vier.
    Angeblich sollte ich nicht lang hierbleiben …
    Der Schirm

Weitere Kostenlose Bücher