Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
druckste, bevor er verlegen hinzufügte: »Du kannst das Terminal nicht mehr benutzen. Dir wurden doch deine sozialen Rechte genommen.«
    »Dann erledige du das.«
    Er trat an die Kabine heran und berührte den Aktivator. Die Türen öffneten sich.
    »Sehen wir uns noch mal?«, fragte ich.
    Die beiden hüllten sich in Schweigen.
    »Grüßt Katti von mir«, bat ich. »Sagt ihr, dass es mir leid tut, wie alles gekommen ist. Aber ich konnte nicht anders.«
    »Aber warum? Warum, Nik?«, presste Tag mit gequälter Stimme heraus.
    »Weil Mistkerle eins auf die Schnauze kriegen müssen. Ungeachtet der Folgen.«
    Inzwischen war es völlig dunkel, und ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen. Ich trat in die Kabine und hob die Hand zum Abschied.
    Raumverschiebung ohne Rückkehr. Sanatorium Frischer Wind.
    »Los schon, du Blechdose«, knurrte ich.
    Unter mir flammte Licht auf, und die Dunkelheit außerhalb der Kabine verzog sich kurz.
    Schon war ich da.
    Das Sanatorium trug seinen Namen mit gutem Grund. Der Wind hier war frisch. Sogar sehr frisch.
    Ich stand bis zu den Knöcheln im Schnee. Eishagel peitschte auf mein Gesicht ein. Meine Aufmachung war hier reichlich fehl am Platze. Aber ich sollte froh sein, dass ich nicht Shorts und ein kurzärmliges Hemd trug.
    Der Zylinder der Transportkabine schien der einzige Hinweis auf eine Zivilisation in diesem endlosen Schneefeld zu sein. Graue Finsternis bedeckte den Himmel, nur im Westen schimmerte er unter den letzten Strahlen Des Mütterchens noch zart durch. Ich drehte mich nach links und nach rechts – in einem Anflug von Panik, dass sie genau das für mich vorgesehen hatten: Eine einsame Kabine mitten in einer Schneewüste. Und den Entzug der sozialen Rechte.
    Meine Rechte hätten mir allerdings sowieso nichts genützt. In der Kabine gab es ja nicht mal ein Terminal. Ich war über eine Einbahnstraße hierhergekommen.
    Ich machte einen Schritt, dann noch einen, spürte, wie mir trockener, loser Schnee in die Schuhe geriet. Ich sackte bis zu den Knien ein.
    »Das darf doch nicht …«, flüsterte ich. Alles war so dämlich, so hoffnungslos! »Ihr Mistkerle!«
    In dem Moment sah ich einzelne Lichter, die sich in einer Kette am Horizont entlangzogen.
    Also gab es hier doch Leben …
    Dort mussten Hochstände oder Türme stehen. Ziemlich weit weg. Ob ich zu denen gehen sollte?
    Ich tastete mit dem Blick noch einmal den akkuraten Kreis der Lichter ab. Anscheinend begrenzten sie etwas.
    Entweder die Transportkabine oder … .
    Etwa zweihundert Schritt entfernt standen, halb unter Schnee begraben – weshalb ich sie auch nicht gleich gesehen hatte –, flache, unscheinbare Gebäude.
    »Da haben wir ja auch das Sanatorium«, sagte ich laut und fing mit dem Mund Schneespritzer auf. »Wird Zeit, dich zu erholen, Niki …«
    Durch den Schnee zu waten war schwierig. Und vor allem: ärgerlich. Noch hatte ich die makellosen Straßen der Stadt vor Augen, die Pfade des Internats. Mein Körper erinnerte sich noch an die sommerliche Wärme. Das hier schien nachgerade die Kehrseite der Welt zu sein.
    Kälte und Nacht.
    Vielen Dank, Ausbilder.
    Schließlich erreichte ich die Häuser mit ihren geriffelten Mauern, den dunklen Fenstern, den flachen, mit Schneewehen und einer Eiskruste verzierten Dächern doch. Vor den Türen war der Schnee platt gestampft, was mir Hoffnung gab.
    Also dann …
    Im Grunde hatte ich sowieso keine Wahl. Deshalb steuerte ich auf die nächstgelegene Tür zu. Ich berührte sie mit der Hand, doch es passierte nichts. Ich stieß gegen die Tür – denn sie würde ja wohl nicht nach außen aufgehen, das wäre bei einem solchen Schneefall einfach unklug, morgens würde man das Haus nie verlassen können … Woher wusste ich das nun schon wieder?
    Eigentlich spielte es aber gar keine Rolle. Was sollte ich jetzt tun? Erfrieren? Von Haus zu Haus rennen?
    Ich trat gegen die Tür, hämmerte mit den Fäusten dagegen, ohne Schmerz in den tauben Fingern zu spüren. Es verging nicht weniger als eine Minute, bevor es im Schloss knackte und die Tür in die Mauer glitt.
    Ein geräumiger Vorraum. Blendende Lampen an der Decke. Ein würfelförmiges Gitterding an der Tür – ich spürte sofort die Wärme, die davon ausging.
    Und dann noch ein gebeugter älterer Mann, der mir die Außentür geöffnet hatte.
    Seine Glatze und die in den Nacken gerutschte Strickmütze entblößten auf dem ganzen Kopf trockene Grindstellen. Er hatte kleine, hellblaue Augen, die sich in mich hineinbohrten, und

Weitere Kostenlose Bücher