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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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der blonde Mann in leicht vorwurfsvollem Ton. »Wie heißt du?«
    »Nik Rimer«, antwortete ich.
    Der Mann trank einen Schluck aus seinem Becher und lächelte verzückt. Im Raum hing ein schwacher Geruch nach Alkohol. War der im Sanatorium etwa nicht verboten?
    »Ist dir kalt?«
    »Ein bisschen.«
    »Dann wärm dich auf.«
    Er hielt mir seinen Becher hin. Eine Sekunde wartete ich, ob mir jemand den Becher weiterreichte, denn ich wollte nicht vom Tisch aufstehen.
    Schließlich nahm ich mir von einem zerkratzten Plastiktablett einen sauberen Becher und füllte mir mit einer Kelle etwas aus einem großen Topf ab. Ich trank.
    Die Flüssigkeit war süß und heiß, mit einem guten Schuss Alkohol. Wärme durchströmte meinen Körper.
    Der Mann hielt mir seinen Becher immer noch hin. Irgendwann zuckte er mit den Schultern und trank ihn selbst aus.
    »Und weshalb hat man dich ins Sanatorium geschickt, Nik?«
    »Ich bin falsch über die Straße gegangen.«
    »Nik, wir sind hier unter uns«, bemerkte der Mann tadelnd. »Also erzähl.«
    »Ich nehme an, ihr kennt die Geschichte sowieso. Ich habe meinem Ausbilder eine in die Fresse gehauen.«
    »Wirklich?« Der Mann spielte den Erstaunten. »So etwas gehört sich nicht …«
    Was für eine Farce. Bis auf diesen blassgesichtigen Schönling vor mir schwiegen alle, ein paar musterten mich, ein paar wandten den Blick ab. Der ältere Kraftprotz betrachtete seine Finger, untersuchte sie mit der Neugier eines Blinden, der gerade eben sehend geworden war.
    »Es gehört sich nicht, einen Ausbilder zu schlagen!«, wiederholte der Typ. »Wieso hast du das getan, Nik?«
    »Es musste sein.«
    Ich nippte erneut an dem heißen Alkohol.
    »Er ist in Ordnung«, mischte sich hinter mir Agard überraschend ein. »Er ist in Ordnung, Kley.«
    Er wandte sich nicht an den blassen Typ. Aber das hatte ich auch nicht erwartet.
    Der Kraftprotz riss sich kurz von seinen Händen los und sah Agard missbilligend an. »Dich hat niemand gefragt. Komm her, Nik.«
    Ich stellte den Becher ab und ging zu ihm.
    »Ich heiße Kley Harter. Und zwar genauso, keine Spitznamen. Das musst du dir als Allererstes einprägen.«
    Nach wie vor sah er mich nicht an, ließ er sich nicht zu einem Blick herab.
    »Wir führen hier unser eigenes Leben, Nik. Ein schwieriges, anstrengendes Leben. Wir alle sind … krank. Wir alle sind in Behandlung. Was ist die beste Medizin, Nik?«
    »Arbeit.«
    »Richtig. Das merk dir als Zweites. Angeblich hast du einen Hirnschaden. Das ist gut. Dann wirst du dich hier leichter einleben.«
    Ich schwieg. Er gefiel mir immer weniger. Und dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit.
    »Such dir irgendeines der oberen Betten aus«, wies mich Kley an. »Die Nachtzeit wurde bereits eingeläutet, daran müssen wir uns halten.«
    »Und warum eines der oberen Betten?«, fragte ich mit einem Blick auf die Reihen von Betten. »Sind die unteren alle belegt?«
    »Für dich ja.«
    Im Grunde war es mir völlig einerlei, wo ich schlief. Ich wollte auch nicht wissen, warum ich mich an die Nachtzeit halten sollte, während sonst niemand ans Schlafen dachte. Ich ging zu einer der Reihen, zog mein Jackett aus und warf es auf das nächstbeste Bett.
    »Komm zurück«, befahl Kley leise. »Unser Gespräch ist noch nicht zu Ende. Abgesehen davon ist es verboten, sich ohne Erlaubnis zu entfernen. Das musst du dir mer ken.«
    »Als Drittes?«
    Endlich sah er mich an. Durchdringend, abschätzend.
    »Ja.«
    »Was sonst noch?«
    Kley erhob sich. Er überragte mich um einen Kopf. Und sein Alter dürfte seine physische Verfassung kaum beeinträchtigen.
    »Einen alten Ausbilder zu schlagen ist mies«, sagte er. »Ich bin ebenfalls Ausbilder. Könntest du mich schlagen?«
    »Ohne Grund nicht.«
    »Ganz recht.« Kley breitete die Arme aus. »Ohne Grund sollte man kein schlechtes Verhalten an den Tag legen.
    Aber was wäre, wenn du einen Grund hättest? Denk gut darüber nach! Und? Können wir das Thema abhaken?«
    Ich nickte.
    »Guck einmal hinter diese Tür«, verlangte Kley.
    Unter dem Blick von zehn Leuten ging ich schweigend zur Tür. Ich öffnete sie. Im Unterschied zur Außentür funktionierte das Schloss hier.
    Die Sanitäreinheit. Fünf Klos, ihnen gegenüber fünf Duschkabinen.
    »Fangen wir mit der Therapie an«, sagte Clay. »Die Sanitäreinheit muss sauber gemacht werden. Die Klosetts müssen blitzen. Wenn du gut suchst, findest du eine Bürste und Scheuermittel. Wenn du sie nicht findest, musst du dir was einfallen

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