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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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flüsterte ich.
    Agard schaute mich mit schweigender Verblüffung an. Er zögerte. »Und die anderen?«, fragte er schließlich.
    »Sie sollen alle schlafen«, befahl ich. »Morgenstund hat Vernunft im Mund …«
    Teufel auch! Wie verstümmelt das Sprichwort klang, wenn es durch die Sprache der Geometer gesiebt wurde!
    Andererseits gewann es dadurch eine ungewohnte Tiefsinnigkeit. Und es nahm die Form eines Befehls an, denn ohne den Blick von mir zu wenden, legten sich die Menschen ins Bett.
    »Gut, Nik Rimer.«
    »Nenn mich Nik«, bat ich.
    Agard sah mir unverwandt in die Augen.
    »Wenn dich das nicht stört«, fügte ich hinzu.
    »Nein … gern … Nik.«
    »Ist noch etwas zu trinken da?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Gibt es hier vielleicht ein Plätzchen, wo wir ungestört sind? Wir müssen miteinander reden.«
    Agard nickte schweigend. Er ging zum Tisch, füllte zwei Becher und bedeutete mir, ihm zu folgen. Das tat ich. Von Bett zu Bett wanderte leises Flüstern.
    Tarai öffnete eine Tür in der Wand, die ich bisher nicht bemerkt hatte. Er blieb stehen und ließ mir den Vortritt.
    War das Höflichkeit oder eine Falle?
    Ich trat durch die Tür.
    Ein gemütliches Zimmer.
    Weicher Teppich auf dem Fußboden. Ein Bildschirm in der Wand, aber ohne Terminal natürlich. Ein kleiner Tisch, ein breites Sofa und zwei Sessel. Ein Schrank, der verschlossen war, und nicht, wie hier sonst üblich, weit offen stand. Eine Spiegeldecke.
    Nach allem, was ich über den Alltag der Geometer wusste, stellte das hier nahezu den Gipfel des Luxus dar. Sogar in der Freiheit.
    »Was ist das?«, fragte ich Tarai. Er kam ebenfalls herein, schloss akkurat die Tür hinter sich und stellte die Becher auf den Tisch.
    »Das Zimmer zur psychologischen Entlastung.«
    »Und wer entlastet sich hier?«
    »Kley Harter und sein Schatz.«
    Ich nickte. Wenn Tarai erwartet hatte, dass ich schockiert sei, hatte er sich getäuscht. Nur Nik Rimer, der noch irgendwo in mir lebte, zuckte angewidert zusammen.
    »Jetzt hält man dich bestimmt für den Schatz des neuen Bosses.«
    »Nein, Nik, so krank siehst du nicht aus …« Agard lachte leise und strich sich über die grindige Glatze.
    »Woher hast du das?«, fragte ich.
    »Mich hat ein Wendiger Freund geküsst.« Agard lächelte finster. »Ich war ein Idiot, als ich hierhergekommen bin … vor zehn Jahren.«
    Ich erschauderte. Zehn von ihren Jahren – das waren fast zwanzig Jahre auf der Erde!
    »Und weshalb bist du hierhergekommen?«
    »Weil ich falsch über die Straße gegangen bin …«, erklärte Agard ironisch. Er nahm in einem der Sessel Platz und langte nach seinem Becher. »Danke für die Abreibung, die du Kley verpasst hast. Dieses Stück Dreck hat schon lange eine ordentliche Lektion verdient.«
    »Alle Ausbilder scheinen Dreck zu sein«, bemerkte ich mürrisch. Ich nahm meinen Becher und schnupperte daran. Heißer Fusel. Herr im Himmel, mit dem Busfahrer Kolja hatte ich nach der Landung auf der Straße ja schon echten Mist getrunken – aber selbst das Zeug war noch besser gewesen.
    »Nun mach mal halblang!« Agard schüttelte den Kopf. »Ich will gern glauben, dass du guten Grund hattest, deinem Ausbilder eine zu semmeln. Aber sogar die Ausbilder haben Kley ohne jedes Mitleid hierhergeschickt. Insofern … solltest du nicht so kategorisch urteilen, mein Junge.«
    Ich setzte mich aufs Sofa und nippte an dem heißen Selbstgebrannten. Immerhin – er schmeckte weitaus besser, als er roch. Anscheinend verlangte mein Körper danach, gehörig durchgerüttelt zu werden …
    In der aufgenommenen Flüssigkeit sind Aldehyde, Fuselöl, Methyl- und Äthylalkohol enthalten. Soll ich eine Entgiftung vornehmen?
    Ja, von allem, bis auf den Äthylalkohol, befahl ich dem Cualcua. Ich schüttelte den Kopf. Gott behüte, dass diese Symbionten je das Recht erhalten, auf der Erde zu leben. Das würde sämtlichen Onkel Koljas der Welt die Möglichkeit geben, sich absolut unbekümmert volllaufen zu lassen.
    »Also, weshalb bist du nun hier?«, fragte ich.
    »Ich bin Historiker. Genauer gesagt, ich war Historiker …« Agard trank einen Schluck aus dem Becher. »Du hast doch sicherlich schon mal gehört, dass Geschichte die wichtigste aller Wissenschaften ist?«
    »Ich erinnere mich nicht mehr daran. Aber ich glaube dir aufs Wort.«
    Agard nippte erneut an dem Fusel. Er würde morgen keinen leichten Tag haben …
    »Sie ist die wichtigste, weil sie die gefährlichste ist.« Er lächelte bitter. »Denn manchmal … manchmal

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