Sternenstaub im Kirschbaum
zubilligte. Die gelbe Meisterrobe stand ihm übrigens ebenfalls nicht schlecht.
»Musa Rübenkerbel! Verstehst du immer noch nicht die Zeichen zu deuten!?«
»Ähm ...« Dafür würden vermutlich auch zwanzig weitere Lehrjahre nicht genügen.
»Meister Bittermandel hat nach mir rufen lassen. Nach mir, er hat ausdrücklich nach mir gefragt! Der Bote sprach von einer Staatsangelegenheit höchster Dringlichkeit! Das ist doch eindeutig, oder? Die Welt wird untergehen!«, erklärte Meister Tulpenmohn und marschierte weiter in Richtung Lerchensporn, was zu Fuß noch eine Weile ihrer offensichtlich kostbaren Zeit in Anspruch nehmen würde.
»Wahrlich bedrohlich. Meister, wieso laufen wir dann?«, fragte Musa schwer atmend, vor allem weil besagter Bote der Spruchwirkerinnung auf einem Gespann langsam hinter ihnen herfuhr. Ein bequemer Viersitzer, auf dem sie mehr als genug Platz gehabt hätten.
»Mein lieber Musa! Willst du etwa lieber untätig auf dein Ende warten? Die Menschen in Begonien zählen auf uns!«
Das war einmal mehr einer dieser Momente, in denen Musa an sich zweifelte, vermutlich sollte er seine Bedenken nicht derart subtil formulieren. Es war die Magie der Sprache, die er besser zu nutzen lernen sollte.
»IM NAMEN MEISTER TULPENMOHNS! HALTET AN! KUTSCHER, IHR BRINGT UNS JETZT SOFORT ZUM GROSSEN RAT DER SPRUCHWIRKERINNUNG. WIR WERDEN ERWARTET!«, rief Musa energisch und griff einem der Pferde vehement ins Zaumzeug.
»Wie meinen?« Der Bote auf der Kutsche sah ihn nur verwirrt an und kratzte sich am Bart.
»Schweigt! Unsere Mission ist weit wichtiger als Euer belangloses Tagewerk!«, ergänzte Musa noch theatralisch, »Meister Tulpenmohn, ich habe eine vorbeifahrende Kutsche requiriert. Der Mann wird uns rasch nach Lerchensporn bringen.«
Immerhin brachte Musas heroischer Einsatz Meister Tulpenmohn dazu , sich umzudrehen. »Oh ... sehr gut.«
Musa und Meister Tulpenmohn waren in Lerchensporn angekommen. Der Kutscher brachte sie direkt zur Innung der Spruchwirker, deren prächtiger Stammsitz dem Palast des Fürsten kaum nachstand, wenn nicht sogar übertraf.
»Meister Tulpenmohn, Ihr werdet erwartet!«, erklärte ein Sekretär respektvoll, der sie mit zwei Gardisten in Empfang nahm. Eine unzweifelhaft zuvorkommende Begrüßung.
»Wir sind so schnell gekommen, wie wir konnten!«, sagte Meister Tulpenmohn voller Inbrunst und vollführte mit der Hand eine bedeutungsvolle Geste. Musa verstand zwar nicht, warum er das tat, aber es sah nicht schlecht aus.
»Mir ist aufgetragen worden , Euch sofort zu Meister Bittermandel zu bringen«, fügte der Sekretär höflich hinzu. Der junge Mann trug die blaue Dienstkleidung der Innung, von seiner Sorte schwirrten an diesem Ort einige herum. Die an diesem Tag auch alle reichlich beschäftigt wirkten.
»Sicherlich.« Auch Meister Tulpenmohn verbeugte sich, wie es der Anstand erforderte. Nach dieser kurzen Begrüßung folgten beide dem Sekretär zu den privaten Arbeitsräumen des Erzspruchwirkers. Die Pracht des Innungspalastes imponierte Musa, Prunus Bittermandel war schon ein bedeutender Mann. Erzspruchwirker Musa Rübenkerbel, das würde auch gut klingen. Während er sich genüsslich in Gedanken seine sich rasch entwickelnde Karriere ausmalte, tauchte seine Tante schemenhaft vor ihm auf und bewarf ihn mit Schweinescheiße. Eine Frechheit, noch nicht einmal in seiner Fantasie war er vor ihr sicher.
»Musa?!«, Meister Tulpenmohn rüttelte ihn an der Schulter.
»Ja ... ähm ... ist etwas passiert?«
»Du wirst gleich Meister Bittermandel gegenübertreten. Höre gut zu, du kannst dabei viel lernen und rede nur, wenn er dir eine Frage stellt«, erklärte der Meister salbungsvoll. Sie waren bei den Arbeitsräumen angekommen. Zumindest vor einer riesigen Flügeltür aus Eichenholz. Die nebenbei bemerkt nicht viel kleiner war, als das Stadttor von Rosenheide. Zwei weitere Wachen flankierten dieses Portal der puren Macht.
»Der ehrenwerte Meister Tulpenmohn bittet um Einlass. Wir werden erwartet. Es ist dringend«, sagte der Sekretär der Situation angemessen und gebot der Wache, die Tür zu öffnen. Was diese auch umgehend tat, während sich die andere respektvoll verbeugte. Musa stellte sich gerade vor, dass das Tor bestimmt auch glühendem Drachenfeuer standhalten würde, wer nicht eingeladen war, würde dort niemals hineinkommen. Nur, sein Meister und er hatten eine Einladung, eine bemerkenswerte Einladung! Das war das erste Mal, dass der Erzspruchwirker
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