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Sternenstaub im Kirschbaum

Sternenstaub im Kirschbaum

Titel: Sternenstaub im Kirschbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thariot
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von uralten weißen Drachengeistern rezitieren können. Und dabei waren die Gedichte weder spannend, noch sonst wie erbauend. Aber die Weisheiten, die sein Meister von sich gegeben und die die Menge frenetisch beklatschte hatte, hätte er genauso gut hinbekommen. Sogar ohne von der Schriftrolle abzulesen, die Meister Bittermandel ihm gegeben hatte und von der Tulpenmohn weiter vortrug.
    »Wir müssen das große Orakel von Granadilla befragen! Ich werde selbst dort hinreisen und mit gutem Rat zurückeilen! Alles wird gut!«
    Die Menge der Spruchwirker tobte vor Begeisterung. Musa konnte sehen, dass der junge Prinz weniger enthusiastisch schien und auch etwas zu sagen versuchte. Was aber in dem Tumult komplett unterging. Der Reihe nach drängten sich alle Spruchwirker in ihre Nähe und beglückwünschten Meister Tulpenmohn zu seinem grandiosen Beitrag. Auch ohne dass es jemand bestätigt hatte, gingen scheinbar alle davon aus, dass der Vorschlag von Musas Meister die einzige gangbare Lösung war.
     
    ***
     

Granadilla
    Es war noch nicht einmal eine Stunde her und Meister Tulpenmohn und sein treuer Lehrling Musa Rübenkerbel befanden sich auf der wichtigsten Reise ihres Lebens. Sie waren auf dem Weg zum Orakel von Granadilla. Ein bemerkenswerter Ort, direkt vor den Toren von Lerchensporn. Eine Reise von unglaublicher Bedeutung und einer äußerst merkwürdigen Entstehung, so befand Musa, der sich auf das Schauspiel zuvor noch keinen Reim machen konnte. Warum war es Meister Bittermandel so wichtig, ausgerechnet sie zu schicken? Wäre jemand anderes nicht besser geeignet gewesen? Oder warum hat er sich nicht einfach selbst auf den Weg gemacht?
    »Musa Rübenkerbel! Wir werden bald dem Orakel von Granadilla Fragen stellen dürfen ... und ich habe meine grüne Meisterrobe nicht dabei. Das ist eine Schande!«, stellte Meister Tulpenmohn entrüstet fest. Beide wurden vom selben Kutscher gefahren, der sie schon zuvor nach Lerchensporn gebracht hatte. Eine treue Seele und gl ücklicherweise sehr verschwiegen.
    »Ja, ja ... wirklich eine Schande.« Die Gedanken seines Meisters zur farblichen Abstimmung seiner Kleidung trafen Musa schmerzlich. Die grüne Meisterrobe würde ihn früher oder später den Kopf kosten.
    »Und deine Tante hatte noch keine Zeit, sie zu waschen? Wegen der vielen Ferkel?«
    »Ihr glaubt nicht, wie viele Ferkel bei uns im Gatter rumlaufen. Da sind immer mehr aus der Muttersau rausgekommen ... unglaublich ... das wollte gar nicht mehr aufhören ... Tante Lobelie musste Tag und Nacht die armen, kleinen Ferkel versorgen! Und deswegen wollte sie Eure Meisterrobe erst heute waschen.«
    »Die gute Frau. Sie arbeitet so hart. Ich werde mich bei ihr persönlich bedanken und sie öffentlich belobigen lassen«, sagte er voller Herzenswärme. Frangipani Tulpenmohn bekam zwar nicht alles mit, zeigte sich aber stets dankbar und fühlte sich allen im Dorf eng verbunden. Weswegen ihn die Menschen in Rosenheide auch mochten und ihm seine Manien für Erdlöcher und die regelmäßige Verkündung neuer Apokalypsen gerne nachsahen. Egal wie, wenn Musa noch länger leben wollte, durfte Meister Tulpenmohn niemals mit seiner Tante über die grüne Meisterrobe sprechen.
     
    »Der Musa log ja wie ein Bürstenbinder!« Das Gewissen seiner Enkeltochter war unbestechlich.
    »Oh ja ... nur es half ihm nicht. Die Wahrheit war stärker.«
    »Das sagst du immer!”
     
    Das letzte Stück liefen Musa und Meister Tulpenmohn zu Fuß, der Kutscher hatte wegen der vielen Bäume anhalten müssen. Das Orakel von Granadilla war ein magischer Ort. Ein Hort voller reiner weißer Magie, die so rein und weiß war, dass kein Spruchwirker mit auch nur dem geringsten Flecken auf der Seele ihm nahekommen konnte. Es gab deshalb in der Innung der Spruchwirker durchaus kontroverse Ansichten, wer das Orakel befragen durfte. Im Prinzip wäre jeder Spruchwirker dazu in der Lage gewesen. Nur es wagte kaum einer – verständlicherweise – denn jemand, den das Orakel dunkler Absichten bezichtigte, wäre sofort seine privilegierte Stellung los gewesen. Und alternative Arbeitsplätze waren für gefallende Spruchwirker ziemlich rar.
    »Wir sind da«, sagte Meister Tulpenmohn zufrieden und setzte sich auf einer grünen Wiese neben einen gut drei Meter hohen , glatt geschlagenen Obelisken. Er war schon öfters hier gewesen und liebte diesen Ort. Für Musa hingegen war es das erste Mal, bisher hatte er stets zu viel Angst gehabt, dass das Orakel ihn durchschauen

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