Sternenzitadelle
rein wird ihre Seele klingen.
Lang oder kurz wird es sein, ihr Leben.
Zwölf Funken werden sprühen,
Wie die zwölf ersten Blumen erblühen,
Wie die zwölf ersten Bäume zum Licht streben
Und die zwölf ersten Tiere leben.
Zwölf Herzen werden kraftvoll schlagen,
In Welten grün oder schwarz an allen Tagen.
Blau oder weiß werden ihre Augen sein
Und hell- oder dunkelhäutig werden sie sein.
Zwölf Denkweisen werden sich vereinen,
Wie die ersten zwölf Frauen,
Wie die ersten zwölf Männer,
Wie die ersten zwölf Kinder.
Zwölf Menschen voller Leidenschaft
Werden dank ihrer Kraft
Voller Freude triumphieren,
Und alle werden jubilieren.
Elf an der Zahl werden kapitulieren,
Elf werden untergehen,
Elf werden vernichtet.
Sollte ein Einziger sterben,
Sollte ein Einziger versagen,
Sollte ein Einziger Verrat üben,
Wird die Menschheit untergehen und verderben.
Der Duodekalog
Erstes Buch des Zeitenendes
»Die Prophezeiungen des Zahiel«
E s ist Zeit, dass Wir Uns vor den Erzfeinden des Glaubens in stillem Gedenken sammeln, mein lieber Adaman …«
Adaman Mourall stimmte mit einem Nicken zu und folgte seinem erhabenen Gesprächspartner. Die beiden Männer verließen die Gemächer des Pontifex über ein Treppenhaus, das in die feuchtkalten und dunklen Kellerräume des Bischöfl ichen Palastes in Venicia führte. Ihre Gedankenhüter – acht für den Muffi und zwei für den jungen Exarchen – gingen in gebührendem Abstand hinter ihnen her. Fast unhörbar waren die Schritte der in weiße Kapuzenmäntel gekleideten Scaythen.
Die regelmäßigen Besuche der vier in einem Kellergewölbe ruhenden tiefgefrorenen Menschen machten Adaman Mourall fast wahnsinnig, und ebenso widerwärtig fand er es, von Barrofill XXV. ständig mit »mein lieber Adaman« oder »mein lieber Sohn des Marquisats« angeredet zu werden. Doch diese Titulierungen musste er fast täglich über sich ergehen lassen, seit der Unfehlbare Hirte ihn zum Ersten Sekretär ernannt hatte. Eine Auszeichnung, auf die der Absolvent der Elitehochschule der Heiligen Propaganda (EDHP) gern verzichtet hätte. Wie der Muffi war er in Duptinat – der Hauptstadt des Planeten Marquisat – geboren. Doch diese Tatsache hatte ihm eher zum Nachteil als zum Vorteil gereicht. Statt nach dem Studium
sofort in seine Heimat zurückkehren zu dürfen, wie seine Lehrer es ihm versprochen hatten, hatte man ihn gezwungen, für unbestimmte Zeit auf Bella Syracusa zu leben, und das im Schatten einer der mächtigsten und gefürchtesten Persönlichkeiten des Ang-Imperiums.
Gewiss, der kaiserliche Planet besaß unbestreitbare Vorzüge: ein angenehmes mildes Klima, bezaubernde Landschaften, eine äußerst kultivierte Bevölkerung, eine prachtvolle Hauptstadt, deren Schönheit bereits legendär war – doch Adaman Mourall litt trotz alledem unter Heimweh.
Im Alter von fünfzehn Jahren hatte er in einem Deremat des Intergalaktischen Transportunternehmens die Reise nach Venicia angetreten, um dort an der Elitehochschule zu studieren, und nie vermutet, dass ihm die sechs Jahreszeiten, der fahle Himmel, die Nachtgestirne und die eher einfache Architektur seiner Heimat derart fehlen würden.
In seiner Doppelfunktion als Faktotum und Vertrauter des Unfehlbaren Hirten war er dessen ständiger Begleiter und wie sein Gebieter häufig das Ziel von Attentaten. Erst vor zehn Tagen war er knapp einem Anschlag mit einer Lichtbombe entkommen, deren Strahlen gut zwanzig Novizen und Vikare dahingerafft hatten. Er war nur leicht am Arm verletzt worden, doch dieser Vorfall hatte ihm einen großen Schrecken eingejagt, von dem er sich bis heute noch nicht erholt hatte.
Denn die meisten der fünftausend am Konklave teilnehmenden Kardinäle gaben sich in der Abgeschiedenheit ihrer venicianischen Luxusdomizile vor allem ihrer Lieblingsbeschäftigung hin: dem Schmieden von Intrigen und Komplotten.
Und Adaman Mourall fragte sich nicht zum ersten Mal, durch welches Wunder der »Marquisatole« – eine Wortschöpfung
aus Marquisatiner und Paritole (die abfällige Bezeichnung der Syracuser für andere Planetarier) –, wie die Einheimischen Barrofill XXV. nannten, zweitausendsechshundertundzwei Stimmen am siebten Tag der Wahl bekommen hatte. Er vermutete, dass dieses unerwartete Ergebnis etwas mit den Führungskräften des Vikariats zu tun hatte, deren Präsenz im Bischöflichen Palast immer lästiger und bedrückender wurde. Einige ekelerregende Besuche in der
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