Sternenzitadelle
Syracusas ermutigt, öffentliche Gelder zu verschwenden.
Der Muffi vermutete, dass der Imperator das Opfer eines hinterhältigen Auslöscher-Programms geworden sei, was gewissen hochgestellten Personen nur gelegen sein konnte. Der Mann schien in geistiger Hinsicht immer weniger er selbst zu sein. Im Gegensatz dazu nahm er ständig an Gewicht zu, so als ob er seine intellektuellen Mängel durch Körperfülle kompensieren wollte. Die weiße Schminke auf seinem Gesicht ließ es noch fetter erscheinen, und sein nachtblauer Colancor spannte sich über einem Wanst, den selbst sein Cape aus changierendem Lebensgewebe nicht mehr verdecken konnte.
Dame Annyt an seiner Seite sah hingegen halb tot aus. Die einstige Muse der geheimen revolutionären Bewegung Mashama hatte mehrere Auslöscher-Implantate bekommen. Das erste, um ihre Jugendliebe, Marti de Kervaleur, zu vergessen; das zweite, um ihren Verlobten Emmar Saint-Gal zu vergessen; das dritte, um ihre aufrührerische Vergangenheit zu vergessen – und dann noch ein paar andere, um ihre Schamhaftigkeit zu neutralisieren, damit sie sich den extravaganten sexuellen Praktiken ihres erhabenen Gemahls beugte. Das Resultat dieser nacheinander folgenden Amnesien war der totale Verlust ihrer Persönlichkeit. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst, ein Stück Fleisch, das sich willenlos den Wünschen eines jeden hingab, ohne jedoch eigene Wünsche ausdrücken zu können. Die Hofschranzen, die sich rühmten, sich ihrer zu bedienen, um ihre sexuellen Lüste zu befriedigen – und ihre Machtgeilheit dadurch auszuleben, denn sexuell die Imperatrix
zu besitzen, bedeutete, einen Teil des Universums zu besitzen –, bezeichneten sie als die »offen stehende Tür zum siebten Himmel« oder aber die »leicht einzunehmende Festung des Ang-Imperiums«.
Der Muffi hatte Mitleid mit ihr. Dasselbe Mitleid hatte er für die schöne Dame Sibrit am Feuerkreuz empfunden. Während der zehn Tage dauernden Agonie der ehemaligen Imperatrix hatte er sich jeden Tag zum größten Platz Venicias begeben und mit Tränen in den Augen ihrem qualvollen Sterben zugesehen. Es hatte ihn schmerzvoll daran erinnert, wie er vor dem Feuerkreuz in seiner Heimatstadt gestanden hatte, vor langer Zeit, als er noch Fracist Bogh hieß und Zeuge von Dame Armina Wortlings Martyrium gewesen war.
Einen Teil des Leidens der ersten Gemahlin Menatis hatte er auf sich genommen und sie bis kurz vor ihrem Tod begleitet. Gleich den Märtyrern des Urkreuzianismus, deren Opfergang die Verbreitung des Wahren Wortes zu verdanken war, so hatte Dame Sibrit vor ihrem Verlöschen eine unendliche Energie freien und schöpferischen Lebens ausgestrahlt. Und da hatte er begriffen, dass er nur das Oberhaupt der Kirche geworden war, um das gesamte Universum gerade vom Joch dieser Kirche zu befreien. Er hatte an die Millionen Quarantäner gedacht, die auf seinen Befehl vergast worden waren, an die Abertausend Häretiker, die er zum Tode am Feuerkreuz verurteilt hatte, an die Milliarden Menschen, die unter dem Terror der Inquisition litten, und an die abgrundtiefe Verzweiflung, die von ihm Besitz ergriffen hatte.
Erst in diesem Zustand hatte er jene Stimme vernommen: ein zugleich deutliches und kaum verständliches Murmeln, nah und fern. Es stammte aus einem vergessen
geglaubten Gebiet seines Unterbewusstseins, das er nicht definieren konnte. Obwohl es sich um seine innere Stimme handelte, kam sie ihm fremd vor, wie der Atem eines ätherischen Wesens, das von seinem Körper Besitz ergriffen hatte.
Wer spricht so zu mir, fragte er sich. Ein Dämon oder ein Teufel? Befinde ich mich im Zustand der Gnade? Oder haben sich diabolische Kräfte infernalischer Welten meiner bemächtigt?
Die Überlegung, das Opfer partieller geistiger Auslöschung geworden zu sein, musste er ausschließen, denn in diesem Fall wäre er zu derartigen Veränderungen seines Denkens nicht fähig gewesen.
Diese innere Stimme wurde immer von einem störenden Kribbeln in seinem Solarplexus begleitet, das sich zu einem unerträglichen Juckreiz ausweitete, den seine Leibärzte weder erklären noch heilen konnten.
»Ihr seid völlig gesund, Eure Heiligkeit«, meinten sie nach jeder Konsultation.
Die Stimme hatte ihm eingeflüstert, sich in einen geheimen, neben der Bibliothek des Bischöflichen Palastes liegenden Raum zu begeben. Nach fünf schlaflosen Nächten, als er vergeblich versucht hatte, die Stimme zu ignorieren, war er dem Rat gefolgt und hatte die Anweisung
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