Sternhagelgluecklich
Flachbildfernseher gekauft hatte: »Das verdammte Ding wird jeden Tag ein Stück kleiner.«
Dieser Gewöhnungseffekt stellt sich – zumindest bei materiellen Dingen – zwangsläufig ein. Das heißt nicht, dass wir uns nichts mehr kaufen sollten. Es ist ja zum Beispiel auch ein zutiefst angenehmes und befriedigendes Gefühl, ein Kleidungsstück gefunden zu haben, das einem gefällt, wie angegossen passt und am besten noch reduziert ist. Man sollte nur nicht den Fehler machen zu glauben, dass dieses Glücksgefühl von Dauer ist.
Ein Trick kann jedoch sein, eine Anschaffung aufzuschieben und somit die Vorfreude auszudehnen und auszukosten. Mein spontaner iPad-Kauf war folglich eher schlecht angelegtes Geld, da meine Freude im Moment des Kaufes zwar gewaltig war, danach aber rapide abnahm. Klar, ein tolles Gerät – aber nachdem man es eine Weile benutzt hat, irgendwie auch schon wieder beinahe normal. 8 Hätte ich mir selbst versprochen, mit dem Kauf noch vier Wochen zu warten, beispielsweise bis nach dem Abschluss eines schwierigen Auftrags oder bis zu meinem Geburtstag, hätte ich zu dem Gerät noch vier Wochen Vorfreude und gute Laune extra bekommen. Und zwar ohne jeden Aufpreis.
Das Phänomen der Gewöhnung greift bei fast allem, am stärksten jedoch vermutlich beim Einkommen. Das ist der Grund, warum wir in der westlichen Welt in den letzten fünfzig Jahren zwar eine immense Steigerung von Wohlstand und Pro-Kopf-Einkommen (auch inflationsbereinigt) erlebt haben – aber keinerlei signifikanten Zuwachs an Glück und Zufriedenheit verspüren.
Was für die große Masse gilt, gilt in diesem Falle auch für mich: Ich habe inzwischen schätzungsweise jeden Monat zehnmal mehr Geld zur Verfügung als zu Studentenzeiten. Trotzdem bin ich nicht zehnmal so glücklich. Ausgenommen die zwei oder drei Tage, an denen ich so pleite war, dass ich mir ein Frühstück aus den Krumen anrichten musste, die rund um die Brotschneidemaschine herumlagen. Ach, selbst diese Tage waren nicht so schlimm. Denn zum Mittagessen gab es schon wieder Züricher Geschnetzeltes, das mir ein Freund, der in der Küche einer Studentenkneipe jobbte, hinter dem Rücken seines Chefs kostenlos zuschob.
Fakt ist: Wir gewöhnen uns an nichts so schnell wie daran, mehr Geld zu haben. Eine Gehaltserhöhung macht uns froh – auch weil sie eine Anerkennung und Wertschätzung für unsere geleistete Arbeit darstellt. Der Effekt, den das zusätzliche Geld auf unser Wohlbefinden hat, schmilzt jedoch so schnell dahin wie ein Stück Butter in der Pfanne.
Der britische Wirtschaftswissenschaftler Richard Layard beschreibt in seinem Buch »Happiness – Lessons From a New Science«, wie mit steigendem Einkommen auch sofort unsere Ansprüche steigen. Genauer gesagt steigt der Betrag, den wir auf die Frage nennen, wie viel man zum Leben braucht, um »über die Runden zu kommen«. Zeichnet man das reale Einkommen und das angeblich »benötigte« Einkommen über Jahrzehnte hinweg auf und bildet sie in einem Diagramm ab, verlaufen beide Kurven nahezu parallel nach oben. Oder wie Layard schreibt: »Ein Dollar mehr, den wir real verdienen, führt zu mindestes 40 Cent mehr ›benötigtem‹ Einkommen. Wenn ich also dieses Jahr einen Dollar mehr verdiene, macht er mich glücklicher, aber nächstes Jahr werde ich an mein Einkommen automatisch eine höhere Messlatte anlegen. Und mindestens 40 Prozent vom Zuwachs dieses Jahres zählen nächstes Jahr schon nichts mehr.«
Selbst auf ganz großer Ebene gewöhnen wir uns wahnsinnig schnell an neue Reichtümer: Mehrere Studien haben gezeigt, dass Lottogewinner nur wenige Monate nach ihrem plötzlichen Reichtum wieder etwa das gleiche Glückslevel erreicht haben, auf dem sie sich vor dem Gewinn befunden hatten. Und damit sind nicht die tragischen Einzelfälle aus den Boulevardblättern gemeint, die es schaffen, die Lottomillionen in kürzester Zeit durchzubringen. Es betrifft fast alle. Selbst diejenigen, die das Geld vernünftig anlegen, ihr Haus abbezahlen und sich maßvoll Wünsche erfüllen, werden nicht dauerhaft glücklicher.
Der Glücksforscher Martin Seligman beschreibt in seinem Buch »Der Glücks-Faktor« eine Studie aus den Siebzigerjahren. Diese »ergab, dass sie mit der Zeit alle auf ihr Normalmaß an Glück zurückgependelt sind und letztlich nicht mehr Glück empfunden haben als die zweiundzwanzig Personen in der Kontrollgruppe«. Ein Grund dafür könnte sein, dass manche der Lotteriegewinner angaben, über den
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