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Sternhagelgluecklich

Sternhagelgluecklich

Titel: Sternhagelgluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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weiterzugehen. Als sich die Gelegenheit bietet, einen kanadischen Schriftsteller zu treffen, den ich seit zwanzig Jahren schätze, nutze ich die Gelegenheit, um ihn zu fragen, ob er Zeit und Lust hat, essen zu gehen, solange er in der Stadt ist – während ich früher vermutlich Probleme gehabt hätte, eine Frage herauszukriegen, die ich mir nicht vorher in Lautschrift auf die Hand geschrieben hatte.
    Selbst meine Träume verändern sich. Während ich mich sonst höchstens einmal pro Woche an einen Traum erinnern konnte und dann auch nur sehr diffus, sind meine Erinnerungen auf einmal sehr detailliert und lebendig. Ich weiß nicht, ob ich intensiver träume oder meine Erinnerung lediglich besser funktioniert, aber wenn ich morgens auf der Bettkante sitze, kommt es mir so vor, als könnte ich gleich mehrere Träume aus der vergangenen Nacht nicht nur in HD -Qualität anschauen, sondern sogar vor- und zurückspulen.
    Streitlos glücklich
    Ein weiteres Zwischenfazit, das ich nach rund einem Monat chemischer Manipulation meines Gehirns ziehen kann: Ich streite mich nicht mehr. Ich streite ohnehin nicht gerne, aber manchmal geht es dann doch einfach mit mir durch. Nach außen hin schüchtern und höflich, aber innendrin ein kleiner Choleriker. So einer bin ich. Und ab und zu bricht es eben aus mir heraus. Dann streite ich. Mit meiner Frau, mit Freunden, mit Kollegen. Hinterher ärgere ich mich. Sogar wenn ich den Streit gewonnen habe, falls es so etwas wie einen gewonnenen Streit überhaupt gibt. Weil ich Streiten bescheuert und sinnlos finde. Es gibt nichts, wirklich gar nichts, das einen Streit lohnend macht.
    Das sieht man in dem Moment, in dem man streitet, natürlich ganz anders – aber da ist man eben auch nicht zurechnungsfähig. Ebenso gut kann man einen Junkie, der sich gerade einen Schuss gesetzt hat, fragen, ob er sich denn keine Sorgen um seine Gesundheit, seinen guten Leumund und seine Schufa-Auskunft macht. Wer streitet, wird emotional. Wer emotional wird, verliert die Kontrolle. Wer die Kontrolle verliert, verliert deswegen nicht unbedingt den Streit – oft sind es gerade die leidenschaftlichsten Streiter, die am Ende ihren glühenden Schädel durchsetzen. Aber oft genug verlieren sie eben auch die Selbstachtung. Wie sinnlos Streitigkeiten sind, sieht man schon allein daran, dass uns die eigenen Zankthemen zwar stets wahnsinnig bedeutend erscheinen, die von anderen Menschen jedoch meistens völlig bekloppt. »Und wegen so was streitet ihr?«, ist die Standardreaktion, wenn man Unbeteiligte in einen Disput einweiht, der schon eine Weile erbittert und ergebnislos tobt.
    Ich habe jedenfalls schon wochenlang nicht mehr gestritten. Vielleicht liegt es daran, dass mir die morgendlichen Kapseln die tosenden Emotionen nehmen, die zum Streiten notwendig sind. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur daran, dass der künstlich gesteigerte Serotoninspiegel meinen Stresslevel senkt und ich dadurch weniger anfällig bin für die Art von Wutanfällen, derentwegen man einen Streit vom Zaun bricht: Egal mit wem – wer einem als Nächstes krumm kommt, kriegt’s halt ab.
    Aber warum streiten wir überhaupt?
    Wir streiten, weil wir etwas haben wollen oder weil uns das Verhalten anderer ärgert, stört oder verletzt. Wir streiten aber vor allem, weil wir glauben, unser Schicksal bestimmen zu können. Weil wir glauben, wenn wir unseren Kollegen, der sich im Meeting gerade mit unserer Idee gebrüstet hat, zur Rede stellen, dass er einsehen wird, wie falsch das war, und dass unser Chef unsere Fähigkeiten erkennen und uns plötzlich lieber mögen wird und wir in einem Jahr einen besseren Job bekommen und in der neuen Wohnung, die wir uns dann leisten können, endlich glücklicher sind als jetzt. Wir streiten, weil wir glauben, dass – wenn wir das jetzt einreißen lassen, dass immer wir das Altglas wegbringen – wir bald den ganzen Haushalt alleine machen, und dann tanzen uns irgendwann alle auf der Nase rum und denken, mit uns kann man’s ja machen. Aber die werden schon sehen! Wir streiten, weil es »ums Prinzip geht« und weil wir »das jetzt lange genug mitgemacht« haben und weil wir »einfach nicht länger auf uns herumtrampeln lassen«.
    Doch in Wahrheit stellen sich Glück und Zufriedenheit erst dann ein, wenn wir begreifen, wie egal das alles ist. Es ist egal, ob der Kollege dies und jenes hinter unserem Rücken gesagt hat oder ob er es nicht gesagt hat. Es ist egal, ob wir zu spät ins Theater kommen, weil

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