Sternhagelgluecklich
unser Partner so lange im Bad braucht, oder ob wir pünktlich sind, weil wir ihm die letzten zwei Jahre die Hölle heiß genug gemacht haben. Herrgott, es ist sogar egal, ob wir überhaupt ins Theater gehen oder zu Hause bleiben, ob wir in diese Stadt ziehen oder in jene, ob wir gewinnen oder der andere. Dieser Gedanke ist zugegebenermaßen nur sehr schwer auszuhalten – und deshalb rackern wir uns ab und machen uns immer neue Sorgen und kämpfen und streiten mit allem, was wir haben.
Doch nicht die Gründe, derentwegen wir streiten, sind exakt so bescheuert, wie jeder außer uns sie findet. Streiten führt auch nie zu dem gewünschten Ergebnis. Ob WG -Küche, Großraumbüro oder Gaza-Streifen: Welcher Streit auf dieser weiten Welt hat schon einmal zu einem wirklich befriedigenden Ergebnis geführt? Manchmal hat sich am Ende eines Streits entweder der Stärkere durchgesetzt, oder man hat sich in der Mitte getroffen, falls es keinen Stärkeren gab – was beides auch ohne Streit möglich gewesen wäre. Aber anstatt sich freundlich zu einigen, haben beide Seiten durch den Streit alles kaputt gemacht, was ihnen eigentlich wichtig war. Haben das Gesicht verloren, das gegenseitige Vertrauen, einen Haufen Geld oder unbeschwerte Jahre ihres Lebens. Je nachdem.
»Aber was ist denn mit den wirklich wichtigen Dingen im Leben?«, werden die Streitfans fragen und gleich die ganz schweren Geschütze auffahren: fremdgehende Partner und beste Freunde, die einem den Dolch des Verrats in den Rücken rammen.
Selbst solche unschönen Dinge sind am Ende des Tages (und mit »am Ende des Tages« ist hier »am Ende eines neunzigjährigen turbulenten und erfüllten Lebens« gemeint) erstaunlich oft eines: egal. Das hilft natürlich nicht weiter, solange die Situation noch akut ist und der Schmerz noch brennt. Aber Streit rettet da auch nichts mehr. Weder in der weichen Variante, die von Streitratgebern empfohlen wird. (»Ich fühle eine gewisse Unzufriedenheit in mir, wenn ich die Kondome, die du mit jemandem anderen benutzt hast, in unserem Bett finde.«) Noch in der wutschäumenden, tellerwerfenden, brüllenden Version. Denn bei dem berühmten Fremden, den man nackt im Kleiderschrank vorfindet, handelt es sich ja nur um den Startschuss für die berühmten fünf Phasen:
•Verweigerung (»Träum ich bestimmt nur.«)
•Wut (»Wo ist die Schrotflinte, wenn man sie braucht?«)
•Verhandlung (»Na gut, dafür fahr ich nächstes Wochenende aber nicht mit zu deinen Eltern.«)
•Depression (»Warum immer ich?«)
•Akzeptanz (»Eigentlich ist’s viel besser ohne die Nervensäge.«)
Gestritten wird dabei vor allem in der zweiten Phase, die man sich genauso gut sparen kann wie die erste, dritte und vierte. Kann ein Streit wirklich etwas ändern oder retten – wenn man nur genügend »Ich-Botschaften« verwendet und sich an die Regel hält, nie »immer« zu sagen? Natürlich nicht. Die eine Hälfte der Dinge ist zu banal, als dass es sich lohnt, einen Streit zu beginnen. Die andere Hälfte so verfahren, dass ein Streit am Ende keinerlei Verbesserung oder Lösung bringt.
Egal also, wie gut oder schlecht man es beherrscht, ob man sprachlich mit dem Florett oder dem Säbel kämpft: Streiten macht unglücklich. In der sträflich unterschätzten Bürokomödie »Office Space – Alles Routine« von 1999 erkennt dies auch die Hauptfigur Peter, ein frustrierter Angestellter, der von seiner Freundin betrogen wird. Statt mit den Unternehmensberatern, die sein verhasster Chef angeheuert hat, aufgeregt zu debattieren, wie unersetzlich er für die Firma ist, erklärt er ihnen entspannt und ehrlich, dass auch ein Vollidiot seinen Job machen könnte – und wird dafür befördert. Anstatt mit seiner Freundin zu verhandeln, warum sie ihn betrogen hat und wie die Beziehung noch zu retten wäre, legt er einfach den Telefonhörer auf – und verliebt sich in Jennifer Aniston. Statt sich mit seinem lauten Nachbarn wegen der hellhörigen Wände zu zerstreiten, geht er lieber mit ihm angeln. Statt voller Wut mit einem Baseballschläger auf den Kopierer einzudreschen, wie er es vorher getan hat, sieht er ruhig mit an, wie ein gedemütigter Kollege die ganze Firma abfackelt.
Im Film ist eine schiefgegangene Hypnosesitzung für Peters Sinneswandel verantwortlich – aber ein wenig kommt es mir so vor, als könnte es genauso gut auch eine stattliche Dosis Psychopharmaka sein.
Bretter, die die Welt bedeuten
Ebenfalls ohne Streit – dafür mit einer Menge
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