Sternschnupperkurs
Schwestern klangen …
»Was ist das?« Mit nörgeliger Stimme zog Julia ein schlichtes, schwarzes Samtkleid aus dem Schrank. »Du hast das Etikett herausgetrennt.«
»Weil es gekratzt hat«, sagte Lucille. »Es ist von Jasper Conran.«
»Erzähle mir nichts. Du könntest dir nicht einmal einen Gürtel von Jasper Conran leisten, geschweige denn ein Kleid.«
»Maeve hat es mir gekauft, im Secondhandladen.«
»Ich habe mein ganzes Leben noch nichts Abgelegtes getragen«, stöhnte Julia.
»Es sieht angezogen sehr nett aus«, versicherte ihr Lucille. »Warum probierst du es nicht einfach?«
Das Kleid sah fabelhaft aus.
»Vermutlich muss ich mich damit zufriedengeben.« Julia glättete den Samt über ihren schmalen Hüften und verlautete undankbar: »Ich schaudere bei dem Gedanken, wie alt das Teil sein mag. Bestimmt schon zwei oder drei Saisons.«
Lucille winkte Julia – die immer noch fürchtete, irgendeine Frau könnte es als Jasper Conrans Herbstkollektion aus dem Jahr 2006 erkennen – hinterher und beschloss, dass sie ihr eines Tages, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war, die Wahrheit sagen würde.
C&A.
56. Kapitel
Suzy saß im Auto auf dem Rückweg von einer Taxierung in Abbot’s Leigh, als ihr Handy klingelte.
Beinahe wäre sie von der Straße abgekommen, als sie hörte, wer am anderen Ende der Leitung war.
»Suzy? Hallo, wie geht’s dir?« Leos Stimme verursachte ihr Gänsehaut an den Armen. Er klang, als ob er lächelte. »Hör zu, ich brauche dich. Dringend.«
Noch mehr Gänsehaut. Dieses Mal am ganzen Körper. Sie breitete sich unkontrollierbar aus.
Wie überaus seltsam, dass Leo gerade jetzt anrief, wo sie an ihn gedacht hatte.
Ach bitte, dachte Suzy, wem mache ich hier was vor? Ich denke 99 Prozent der Zeit an Leo … er hätte Mühe, mich genau in diesem flüchtigen einen Prozent der Zeit zu erwischen, wenn ich gerade mal nicht an ihn denke.
»Kannst du dir mich leisten?«, fragte sie heiter. Es war nicht gerade eine geistreiche Erwiderung, aber besser als zu jammern: O Leo, ich brauche dich auch sooooo dringend.
Und es war weniger peinlich.
»Ich könnte es mit Bestechung versuchen«, schlug Leo vor. »Wäre das was? So viele Éclairs, wie du vertilgen kannst.«
Nur wenn ich dir die geschmolzene Schokolade von der nackten Brust lecken darf.
»Was hast du für ein Problem?« Suzy versetzte sich mental eine Ohrfeige.
»Die Tür zum Keller. Ich weiß, du hast mir gesagt, wie man sie öffnet, aber es passiert nichts. Sie muss von einer Expertin aufgetreten werden.«
»Ist gut. Ich bin in Abbot’s Leigh. In etwa fünfzehn Minuten kann ich bei dir sein.«
Noch während sie sprach, lenkte Suzy den Wagen in eine Haltebucht. Zum Sheldrake House brauchte sie nur fünf Minuten. So blieben ihr zehn Minuten, um sich die Haare zu richten und das Make-up auszubessern.
»Also schön, jetzt gut aufpassen.« Suzy trat vor die alte Falltür – und hob vorsichtig das rechte Bein. Dann trat sie mit der Ferse fest auf die linke Ecke der verwitterten Eichentür. »Du trittst noch einmal fünfzehn Zentimeter höher zu … genau
hier
. Dann packst du den Griff.« Sie langte nach unten und nahm den Eisenring in beide Hände. »Du zerrst nach links, während du ihn nach rechts drehst … Vergiss nicht, den Fuß auf der linken Ecke zu lassen … dann den Fuß wegnehmen und
ziehen
.«
Die Falltür ging auf, und Suzy trat zurück. Sie deutete einen Knicks an. »Siehst du? Ganz einfach.«
»Verdammtes Ding. Ich habe eine Stunde lang versucht, diese Falltür zu öffnen.« Leo lächelte reumütig.
»Tja, jetzt weißt du, wie es geht.« Suzy ließ die Tür zufallen und trat zur Seite. »Immer an die Abfolge denken: Treten, treten, packen, zerren, ziehen.«
Nach zwanzig Minuten intensiven Trainings hatte Leo es mehr oder weniger begriffen. Seine Beinarbeit war noch nicht perfekt, aber er befand sich eindeutig auf einem guten Weg.
»Ich muss das reparieren lassen.« Leo schüttelte den Kopf und rieb sich die staubigen Hände an den Jeans ab.
Suzy wünschte, sie könnte das auch so machen – vermutete aber, dass Leo es als Eingriff in seine persönliche Freiheit missverstehen könnte, wenn sie sich ihre Händen an seinen Jeans abwischte. Also sagte sie: »Es ist doch nur ein leerer Keller. Wirst du ihn je benützen?«
»Gabriella plant, ihn in einen Fitnessraum umzuwandeln.«
Einen Fitnessraum. Natürlich. Suzy, die sich nichts Entsetzlicheres vorstellen konnte, als einen Fitnessraum im eigenen
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