Sternschnupperkurs
die eines viktorianischen Varietés würdig gewesen wären, hallte durch die Kirche.
»Suzy, halt die Klappe und setz dich«, stöhnte Jaz.
»Tut mir leid, das geht nicht.« Suzy hob die Stimme, um zu ihrem Publikum zu sprechen, das mittlerweile in atemloser Spannung wartete. »Wissen Sie, ich liebe diesen Mann da vorn und ich muss ihn das wissen lassen, bevor er einer anderen die Ehe verspricht. Leo, hörst du mich?« Er hatte sich nicht umgedreht, aber sie ging schwer davon aus, dass er sie hörte. »Ich liebe dich. Ehrlich. Mehr als Gabriella, da wette ich. Hör zu, es tut mir leid, wenn ich die Zeremonie verhunze, und es tut mir wirklich leid, falls dir das den Tag verdirbt …« – sie sah dabei Gabriella an –, »… aber mir wäre es echt lieber, wenn Leo
mich
heirateten würde.«
Endlich drehte Leo sich um und sah sie an. Liebe und Hoffnung wallten in Suzys Herz auf.
»Suzy, hör auf, du machst dich komplett zum Narren.« In seinen dunklen Augen lag Trauer, keine Wut. »Lass uns ehrlich sein, warum sollte jemand wie ich an jemand wie dir interessiert sein?«
»Na also«, zischelte Jaz. »Bist du jetzt zufrieden? Würdest du dich jetzt bitte wieder setzen?«
»Nein.« Suzy zitterte am ganzen Leib.
»Suzy.« Dieses Mal war es Lucilles Stimme. Lucille zupfte an ihrem Ärmel. »Suzy, hör auf. Komm schon, es ist in Ordnung, alles ist gut.«
»Gut? Bist du verrückt?«, rief Suzy. »Wie kann alles in Ordnung sein?«
Sie öffnete die Augen und starrte entsetzt zu Lucille auf.
In ihrem Nachthemd.
Keine Kirche, kein Vikar, keine fuchsteufelswilde Braut weit und breit.
Oh danke, danke Gott, ich danke dir soooo sehr.
»Meine Güte«, sagte Lucille. »Du warst aber weggetreten. Was sollte das alles?«
»Ich – äh – weiß nicht.« Wachsam blinzelte Suzy und rieb sich die Stirn. »Habe ich im Schlaf gesprochen? Was habe ich gesagt?«
»Du hast nur ›nein, nein‹ gebrüllt und ein wenig mit den Armen in der Luft gewedelt.«
»Ach so, jetzt erinnere ich mich wieder. Ich habe geträumt, ich sei ein Abgeordneter im Parlament und würde den Premierminister mit Zwischenrufen ärgern.«
Lucille grinste. »Du hast auch gemurmelt, dass du den Mann da vorn liebst.«
»Ich war ein sehr … äh … hingebungsvoller Abgeordneter«, sagte Suzy. »Ich meinte auch nicht ärgern, sondern anfeuern. Wir gehörten derselben Partei an.«
»Dann ist es ja gut.« Lucille verließ das Schlafzimmer mit einem fröhlichen Zwinkern. »Solange du nur nicht von Leo geträumt hast.«
57. Kapitel
Der Traum verfolgte Suzy, ging ihr ständig durch den Kopf wie ein Fauxpas. Als sie drei Tage später auf dem Weg zu einer Besichtigung war, entdeckte sie Gabriella auf der Straße. Sie überquerte gerade die Regent Street. Normalerweise hätte Suzy den Wagen angehalten und ihr einen Gruß zugerufen, aus reiner Höflichkeit.
Aber was, wenn Gabriella sagte: »Ach übrigens, vielen Dank auch, dass du unsere Hochzeitszeremonie ruiniert hast.« Kopfscheu angesichts dieses Gedankens – mein Gott, der Traum schien immer noch so
real –
, tat Suzy so, als würde sie Gabriella nicht bemerken, und bog abrupt und völlig unnötig nach rechts ab. Prompt fand sie sich hinter einem riesigen Müllwagen wieder, der sie zwanzig Minuten kosten würde.
Wenn nicht gar dreißig, sobald der Fahrer des Müllwagens sie entdeckte. Suzy wusste aus Erfahrung, dass er einer Tussi in einem Rolls auf gar keinen Fall den Weg freimachen würde.
Sie rekelte sich, schaltete den Motor in Leerlauf und beobachtete im Rückspiegel, wie Gabriella mit zwei schweren Papiertüten die Straße überquerte, bevor sie außer Sicht verschwand. Zwei Minuten später tauchte sie ohne die Tüten wieder auf, überquerte die Straße in anderer Richtung und war erneut nicht mehr zu sehen.
Suzy brauchte einige Sekunden des Nachdenkens über diese Ereignisabfolge, bevor ihr dämmerte, dass Gabriella etwas im Oxfam-Laden abgegeben haben musste.
In der Zwischenzeit grinsten die Müllmänner breit und gingen ihrer Arbeit des Mülleimerentleerens in Zeitlupengeschwindigkeit nach. Wenn sie wollten, könnten sie Suzy den ganzen Tag warten lassen.
Suzy seufzte, weil die Müllmänner das als Sieg betrachten würden, legte den Rückwärtsgang ein und setzte den Wagen, höchst illegal, rückwärts den Hügel zur Regent Street hinauf.
Zwei Stunden später fuhr Suzy wieder durch die Regent Street zum Büro. Instinktiv glitt ihr Blick zum Oxfam-Laden.
Im nächsten Moment dämmerte
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