Sternstunden des Universums
vermessenen Asteroiden.
Abb. 16: Modell eines durch zwei angehängte Keile unsymmetrisch geformten Asteroiden. Die Keilflächen reflektieren das Sonnenlicht beziehungsweise emittieren Wärmestrahlung in unterschiedliche Richtungen, so dass ein Drehmoment entsteht. Dadurch verändern sich die Rotationsgeschwindigkeit des Asteroiden und die Lage der Rotationsachse.
Im Mittel drehen sich Asteroiden alle vier bis zwölf Stunden einmal um ihre Achse. Kleine Exemplare mit Abmessungen von bis zu etwa zehn Kilometern rotieren dagegen oft deutlich schneller oder auch deutlich langsamer. Wieso das so ist, war lange Zeit rätselhaft. Mit der Entdeckung des YORP-Effekts hat man nun eine Erklärung für dieses Phänomen. Auch die Tatsache, dass etwa 15 Prozent der erdnahen und der Asteroiden im Asteroidengürtel einen kleinen Trabanten haben, einen Mond, ist sehr wahrscheinlich auf die Wirkung des YORP-Effekts zurückzuführen. Denn bei einem sich drehenden Objekt wirkt wie bei einem Karussell eine Zentrifugalkraft, die senkrecht zur Rotationsachse nach außen gerichtet ist. Je weiter ein Massenpunkt von der Rotationsachse entfernt ist und je schneller sich das Objekt dreht, desto größer ist die Kraft. Insbesondere bei Asteroiden, die aus locker gebundenem Material bestehen, übersteigt irgendwann die Zentrifugalkraft die den Asteroiden zusammenhaltenden Kräfte, wenn sie durch den YORP-Effekt in immer schnellere Rotation versetzt werden. Dann kann ein größerer Brocken von der Oberfläche losgerissen werden, beziehungsweise der Asteroid bricht komplett auseinander. Im ersten Fall hat der Asteroid fortan einen kleinen Trabanten, im zweiten entsteht ein »Doppelasteroid«, dessen zwei Teile nun um den gemeinsamen Schwerpunkt kreisen.
Und noch ein »Asteroiden-Rätsel« findet eine plausible Erklärung: Wie konnte es einigen Mitgliedern der Baptistina-Familie gelingen, aus dem Asteroidengürtel zu entkommen, ins innere Sonnensystem vorzudringen und mit der Erde beziehungsweise dem Mond zu kollidieren? Aus dieser Gruppe soll ja auch der Asteroid stammen, der vor 65 Millionen Jahren den Dinosauriern zugesetzt hat. Ursächlich sind wieder der Yarkovsky- und der YORP-Effekt. Der kombinierte Einfluss dieser beiden Mechanismen hat im Laufe der Zeit die Familienmitglieder aus ihren ursprünglichen Bahnen verdrängt und auf Bahnen gezwungen, auf denen sie die Sonne entweder in geringerem oder in größerem Abstand umlaufen. Ein Teil der Asteroiden geriet dabei in eine 7:2-Resonanz mit dem Jupiter (J7:2) und zugleich in eine 5:9-Resonanz mit dem Mars (M5:9). Für einen Asteroiden aus dieser Gruppe bedeutet das, dass sich der Asteroid nach sieben und der Planet Jupiter nach zwei Umläufen um die Sonne wieder an den Stellen ihrer Bahnen befinden, von wo aus sie gestartet sind. Andererseits muss der Asteroid seine Bahn fünfmal durchlaufen und der Mars neunmal, bis Asteroid und Mars wieder bei ihren Ausgangspositionen angelangt sind.
Simulationen haben nun gezeigt, dass die Bahnen von Asteroiden in einer J7:2/M5:9-Resonanz innerhalb weniger Millionen Jahre immer exzentrischer werden und schließlich die Marsbahn kreuzen. Mithilfe der dort verstärkt auf den Asteroiden einwirkenden Schwerkraft des Planeten gelang es dann einigen Objekten, aus dem Asteroidengürtel zu entkommen. Die Simulationsergebnisse zeigen, dass innerhalb der letzten 160 Millionen Jahre etwa 20 Prozent der bis zu 10 Kilometer großen Asteroiden der Baptistina-Familie die Flucht gelungen ist. Obwohl die meisten dieser Objekte entweder in die Sonne gestürzt sind oder bei einer nahen Begegnung mit dem Planeten Jupiter ganz aus dem Sonnensystem geschleudert wurden, gelangten etwa 2 Prozent in das innere Sonnensystem und kollidierten mit der Erde oder den anderen Planeten.
In Anbetracht dieser Erkenntnisse kann man abschließend noch ein wenig spekulieren. Was wäre, wenn es den Yarkovsky/YORP-Effekt nicht gäbe? Wäre die Erde dann vor 65 Millionen Jahren nicht von dem Asteroiden getroffen worden, der zur Auslöschung der Dinosaurier beitrug? Würde die Erde dann auch heute noch von diesen »Monstern« beherrscht? Wenn dem so wäre, dann wäre die Entwicklung der Säugetiere sehr wahrscheinlich anders verlaufen. Vermutlich würde diese Spezies noch immer ein Nischendasein führen, und der Mensch – falls die Evolution unter dem Joch der Saurier überhaupt ein ihm ähnliches Wesen hervorgebracht hätte – hätte die Erde nicht erobert. Mancher mag sich wünschen, es
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