Sternstunden des Universums
Beschuss von Cäsium oder Xenon mit Elektronen erzeugt und anschließend in einem starken elektrischen Feld beschleunigt und mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen werden. Der dabei entstehende Rückstoß erzeugt einen Schub in die entgegengesetzte Richtung. Die für die Erzeugung und Beschleunigung der Ionen nötige Energie können entweder Solarzellen oder ein mitgeführter Kernreaktor liefern. Im Vergleich zu einer konventionellen Rakete ist der Schub zwar sehr gering, dafür können Ionentriebwerke über Monate oder gar Jahre kontinuierlich arbeiten.
Da sich alle massebehafteten Körper gegenseitig anziehen, hat man auch daran gedacht, die Gravitation als eine Art Abschleppseil zu nutzen. Als »Gravitations-Traktor« könnte ein massereiches Raumschiff dienen, das in einer Entfernung von wenigen hundert Metern längere Zeit neben dem Asteroiden herfliegt. Raumschiff und Asteroid würden sich mit gleicher Kraft gegenseitig anziehen. Damit bei diesem Duell nicht der Asteroid gewinnt und das Raumschiff zu sich heranholt – das kleine Raumschiff ist ja durch die Gravitationskraft viel leichter zu beschleunigen als der um vieles massereichere Asteroid –, müsste der Raketenantrieb des Raumschiffs den Abstand konstant halten. Letztlich wäre es die von den Raketenmotoren freigesetzte Energie, die dazu verwendet würde, den Asteroiden aus seiner Bahn zu schleppen. Die Wirksamkeit eines derartigen »Gravitations-Traktors« hinge also von der Leistungsfähigkeit seiner Triebwerke ab.
Eine andere Kategorie von Abwehrkonzepten will die Energie der Sonne nutzen. Ein Vorschlag beruht auf der Idee, einen kleinen Teil der Oberfläche des Asteroiden so stark aufzuheizen, dass dort die Materie verdampft und in den Weltraum abströmt. Dazu sollen riesige justierbare Spiegel die Sonnenstrahlung gezielt auf den Asteroiden lenken. Die abdriftende Masse würde einen Rückstoß erzeugen, der den Asteroiden ablenkt. Auch mit einem auf dem Asteroiden verankerten Sonnensegel, einer großen, das Sonnenlicht gut reflektierenden Folie, glaubt man einen Asteroiden ablenken zu können. Der Effekt beruht auf dem Strahlungsdruck, den das von der Sonne kommende Licht auf das Segel ausübt. Genau genommen ist es der von den Photonen transportierte Impuls, der, zweimal übertragen, den Effekt bewirkt: einmal, wenn das Photon auf das Segel trifft, und nochmals, wenn das Photon vom Segel per Reflexion zurückgeworfen wird. Der daraus resultierende Druck auf das Segel ist zwar sehr gering, aber er wirkt permanent.
Schließlich könnte auch der sogenannte Yarkovsky-Effekt helfen, einen Asteroiden aus seiner Bahn zu drängen. Dieser bereits 1900 von dem russischen Ingenieur Yarkovsky entdeckte Mechanismus beruht auf der unterschiedlichen Erwärmung, die ein rotierender Körper durch die Sonnenstrahlung erfährt. Denn die »Abendseite« des Asteroiden, also die Seite, die sich gerade von der Sonne wegdreht, ist stets wärmer als die »Morgenseite«, die sich auf die Sonne zudreht und gerade erst aufgeheizt wird. Folglich strahlt die wärmere Seite mehr und energiereichere thermische Photonen ab, das heißt Photonen aus dem Bereich der Infrarotstrahlung, als die Morgenseite. Da jede Emission eines Photons einen Rückstoß in die entgegengesetzte Richtung zur Folge hat, resultiert aus dem Unterschied in der Emission der Abend- und Morgenseite eine Differenzkraft, die den Asteroiden beiseiteschieben könnte (Abb. 15). Zwar ist auch dieser Effekt äußerst gering, aber über einen langen Zeitraum doch nicht zu vernachlässigen. Indem man gezielt das Absorptions- und Reflexionsvermögen der beiden Hemisphären unterschiedlich gestaltet, könnte man den Effekt noch verstärken. Es würde genügen, eine Seite des Asteroiden weiß anzustreichen – ob die Innung der Maler und Lackierer hinter diesem Vorschlag steckt, ist nicht bekannt.
Abb. 15: Der Yarkovsky-Effekt. Da die Abendseite eines rotierenden Asteroiden wärmer ist als die Morgenseite, emittiert sie mehr und energiereichere thermische Strahlung als die Morgenseite. Der dadurch entstehende Rückstoß schiebt den Asteroiden aus seiner Bahn. Ob der Asteroid in Richtung Stern oder von ihm wegdriftet, hängt von der Rotationsrichtung des Asteroiden ab.
Sollte sich die Menschheit eines Tages mit einem Asteroiden konfrontiert sehen, so besteht, wie obige »Rezeptauswahl« zeigt, eine Chance, das Schlimmste zu verhindern. Allerdings dürfte eine Reihe bisher nicht erwähnter Fakten das auf den ersten
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