Sternstunden des Universums
ein instabiler U239-Kern, der sich mit einer Halbwertszeit von 23 Minuten in einen Kern des Elements Neptunium umwandelt, der wiederum mit einer Halbwertszeit von 2,4 Tagen zu Plutonium mutiert. Beide Male zerfällt dabei eines der Neutronen im Kern in ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino. Auf diese Weise bleibt die Massenzahl des Kerns unverändert, die Anzahl der Protonen wird jedoch um eine Einheit erhöht. Elektron und Antineutrino, das Antiteilchen eines Neutrinos, verlassen den Kern. Unter dem Begriff »Halbwertszeit« versteht man übrigens die Zeitspanne, in der von einer gegebenen Menge radioaktiver Kerne gerade die Hälfte zerfällt. Nach Ablauf von zwei Halbwertszeiten sind demnach von einer bestimmten Anzahl Kerne bereits drei Viertel zerfallen. Auch U235 kann durch Neutronenbeschuss in Neptunium umgewandelt werden. Dazu sind jedoch zwei Neutronen nötig. Mit dem ersten wird ein U236-Zwischenkern gebildet, das zweite lässt aus U236 das Uranisotop U237 entstehen, das nach einer Halbwertszeit von fast sieben Tagen zu Neptunium zerfällt. Das so gewonnene Neptuniumisotop besitzt zwei Neutronen weniger als das, welches bei einem Beschuss von U238 entsteht.
Ungleich häufiger wird jedoch der U235-Kern schon durch das erste Neutron gespalten. Durch den Einfang des Neutrons entsteht zunächst ein hoch angeregter, instabiler U236-Zwischenkern, der nur sehr kurze Zeit Bestand hat. Bereits nach einer Hundertbillionstelsekunde gibt er seine Anregungsenergie durch die Aufspaltung in zwei mittelschwere Kerne wieder ab. Je nachdem, in welche Spaltprodukte der U236-Kern zerfällt, werden dabei noch zwei oder drei schnelle Neutronen frei. Gegenwärtig sind über 250 mögliche Spaltprodukte bekannt, in die der U236-Kern zerfallen kann. In der einschlägigen Literatur wird als Beispiel meist die Spaltung in einen Krypton- und einen Bariumkern aufgeführt. Könnte man die beiden Bruchstücke und den noch »unversehrten« U235-Kern wiegen, so erhielte man ein überraschendes Ergebnis: Die beiden Spaltprodukte sind zusammen deutlich leichter als der Ausgangskern plus dem Neutron, das die Spaltung ausgelöst hat. Ein Teil der ursprünglichen Kernmasse muss demnach in Energie umgewandelt worden sein! Dass Masse und Energie einander äquivalent sind, hat uns Einstein mit seiner berühmten Gleichung E=mc 2 beigebracht. Doch wo zeigt sich diese Energie? Zu etwa 90 Prozent steckt sie in der Bewegungsenergie der mit hoher Geschwindigkeit auseinanderfliegenden Bruchstücke, die restlichen 10 Prozent tragen Gammaquanten davon.
Dass die Bruchstücke auseinanderfliegen, liegt an den Protonen der Spaltprodukte. Protonen tragen eine elektrisch positive Ladung – und gleichnamige Ladungen stoßen sich ab. Demnach sollte der U235-Kern mit seinen 92 Protonen eigentlich sofort auseinanderbrechen. Dass das nicht der Fall ist, ist der starken Kernkraft zu verdanken. Im U235-Kern sind die Kernbausteine so dicht gepackt, dass sie die Protonen gegen die abstoßende elektromagnetische Kraft zusammenhalten können. Doch die starke Kernkraft kann ihre Wirkung nur über extrem kurze Entfernungen entfalten, über die Abmessungen eines Atomkerns reicht sie nicht hinaus. Ist der U235-Kern erst mal in zwei Bruchstücke aufgetrennt, so überwiegt die elektromagnetische Kraft und treibt die beiden positiv geladenen Spaltprodukte vehement auseinander. Durch Stöße mit benachbarten Atomen oder Molekülen übertragen sie ihre Bewegungsenergie an die umgebende Materie und heizen sie auf. Die Kernspaltung von einem Kilogramm U235 setzt eine Energiemenge von rund 23000 Megawattstunden frei. Das ist so viel, wie das leistungsstärkste Kernkraftwerk Isar II in Essenbach in rund 15 Stunden an elektrischer Energie erzeugt. Man könnte damit ganz Deutschland für 20 Minuten mit elektrischem Strom versorgen.
Prinzipiell können die Neutronen, die bei einer Spaltung freigesetzt werden, eine Kettenreaktion auslösen. Angenommen, bei jedem Spaltvorgang werden zwei Neutronen frei, so können damit zwei weitere Kerne gespalten werden, wobei vier Neutronen frei werden. Die spalten dann wiederum vier Kerne und bringen acht neue Neutronen hervor. Rein rechnerisch verdoppelt sich bei jedem Schritt die Anzahl der freien Neutronen und damit die Zahl der Spaltprozesse. Auf diese Weise pflanzt sich die Kernspaltung lawinenartig fort und ist nicht mehr zu bremsen, bis letztendlich keine spaltbaren Kerne mehr vorhanden sind.
Doch so problemlos wie geschildert geht das
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