Sternstunden des Universums
dass sich Sterne bis zu etwa 140 Sonnenmassen gemäß diesem Szenario verabschieden. Auch Sterne oberhalb von etwa 260 Sonnenmassen, wie es sie vermutlich nur in der Frühphase des Universums, etwa 200 Millionen Jahre nach dem Urknall, gegeben hat, folgen diesem Weg in den Tod. Übrig bleibt jeweils ein mehr oder weniger massereiches Schwarzes Loch. Doch für den Massenbereich zwischen 140 und 260 Sonnenmassen, in dem auch der Stern HDE 269810 liegt, haben Theoretiker einen anderen Typ von Supernova vorhergesagt, eine sogenannte Paar-Instabilitäts-Supernova.
Bis gegen Ende des Heliumbrennens, der Brennstufe, bei der Helium zu Kohlenstoff und Sauerstoff fusioniert, verläuft die Entwicklung einer Paar-Instabilitäts-Supernova analog zur Entstehungsgeschichte einer Supernova vom Typ II. Doch gegen Ende dieser Brennstufe ist bei den Sternen im besagten Massenbereich die Temperatur im Zentrum so hoch, dass sich die bei den Fusionsprozessen entstandenen Gammaquanten in Materie verwandeln können. Dabei entsteht aus je zwei Gammaquanten ein Elektron-Positron-Paar, und ein Teil des Strahlungsdrucks, der bislang zur Stabilität des Sterns beigetragen hat, geht verloren. Folglich kollabiert der Stern, und sein Kern wird rasch noch dichter und noch heißer. Schließlich setzt schlagartig das Sauerstoff- und Siliziumbrennen ein, und der dabei entstehende, nach außen gerichtete Explosionsdruck zerreißt den Stern. Eine Paar-Instabilitäts-Supernova lässt vom ursprünglichen Stern nichts übrig. Die gesamte Sternmasse in Form von Gas und schweren Elementen, insbesondere Silizium und radioaktivem Nickel, wird über 100 Lichtjahre weit hinaus ins All geschleudert.
Mittlerweile hat sich dieses theoretische Modell einer Paar-Instabilitäts-Supernova auch in der »Praxis« bestätigt. Am 6. April 2007 wurde amLawrence Berkeley National Laboratoryin einer 1,7 Milliarden Lichtjahre entfernten Zwerggalaxie im Sternbild Jungfrau das Aufleuchten einer Supernova registriert und in den folgenden Monaten mithilfe des Keck-Teleskops auf Hawaii und des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile verfolgt. Es zeigte sich, dass der Vorläuferstern der mit SN 2007bi bezeichneten Supernova mindestens 200 Sonnenmassen gehabt haben muss. Da sowohl der Helligkeitsverlauf der SN wie auch die Zusammensetzung der in den Raum hinausgeschleuderten Materie mit den in den Simulationen ermittelten Werten übereinstimmten, ist man ziemlich sicher, dass es sich bei SN 2007bi um eine Paar-Instabilitäts-Supernova gehandelt hat.
Wie bereits erwähnt: Aufgrund seiner Masse von 190 Sonnenmassen könnte der Stern HDE 269810 demnächst in einer Paar-Instabilitäts-Supernova zerrissen werden. Sollte HDE 269810 genau jetzt, in diesem Moment, explodieren, so würden wir das jedoch erst in 170000 Jahren mitbekommen, denn so lange benötigt das Licht, um von der Großen Magellanschen Wolke bis zu uns zu kommen. Doch wer weiß, vielleicht ist der Stern ja schon vor langer Zeit explodiert, und wir müssen gar nicht mehr lange warten?
Nächster Kandidat auf der Liste der Sternrekorde ist der größte Stern, oder genauer: der Stern mit dem größten Durchmesser. VY Canis Majoris, ein pulsierender Roter Überriese, leuchtet 430000-mal so hell wie die Sonne, 5000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Großer Hund. Eingehüllt ist der Stern in eine riesige, asymmetrische Staubwolke, die er in den vergangenen rund 1000 Jahren bei mehreren Ausbrüchen in den Raum hinausgeblasen hat und die den größten Teil des vom Stern abgestrahlten sichtbaren Lichts verschluckt (Abb. 41).
Abb. 41: Mit einem Radius von rund 2000 Sonnenradien hält VY Canis Majoris die »Pole Position« im Wettbewerb um den größten Stern der Milchstraße. Die vier Bildstreifen verdeutlichen den Größenunterschied bekannter Sterne zu VY Canis Majoris.
Im Jahr 2004 hat man für diesen Stern einen 3000-mal größeren Durchmesser als den unserer Sonne ermittelt. Aufgrund neuer Erkenntnisse wurde dieser Wert 2006 auf immer noch gigantische 1800 bis 2100 Sonnendurchmesser korrigiert. Derartige Diskrepanzen in der Radiusbestimmung werden verständlich, wenn man berücksichtigt, dass es bei weit entfernten Sternen außerordentlich schwierig ist, die Trennlinie zwischen dem Sternrand und der den Stern umgebenden Staubhülle zu bestimmen. Lässt man die obere Grenze von 2100 Sonnenradien gelten, so ist VY Canis Majoris 230000-mal größer als die Erde. Das ungeheure Ausmaß des Sterns wird
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