Sternstunden des Universums
jedoch erst deutlich, wenn man ihn in Gedanken an die Stelle unserer Sonne setzt. Dann würde er bis knapp über die Umlaufbahn des Saturn hinausreichen, des zweitgrößten Gasriesen in unserem Sonnensystem. Nur Uranus, Neptun und der Zwergplanet Pluto wären vom Stern nicht verschluckt.
Noch ein Wort zum Wesen dieses Sterns. Wie schon erwähnt, handelt es sich bei VY Canis Majoris um einen Roten Überriesen. Bis vor Kurzem waren sich die Fachleute da nicht ganz einig. Auch die etwas kleinere Ausgabe eines Roten Riesen stand zur Diskussion. Im Unterschied zu einem Roten Überriesen ist ein Roter Riese etwas ärmer an Masse und von etwas geringerer Leuchtkraft. Beiden gemeinsam ist, dass es sich jeweils um einen Stern handelt, der das Wasserstoffbrennen im Kern, das heißt die Fusion von Wasserstoff zu Helium, bereits beendet hat und der kurz davor steht, mit dem Heliumbrennen zu beginnen, also Helium zu Kohlen- und Sauerstoff zu verschmelzen. Lediglich in einer dünnen Schale um den Kern findet noch Wasserstoffbrennen statt. Da im Kern keine Fusionsenergie mehr freigesetzt wird, schrumpft er unter seiner eigenen Schwerkraft, wobei die äußeren Sternschichten nachfallen und den Druck auf die Wasserstoff brennende Schale erhöhen. Mit wachsendem Druck steigt die Temperatur und kurbelt das Schalenbrennen gewaltig an. Die dabei frei werdende Energie bläht den Stern auf ein Vielfaches seiner ursprünglichen Größe auf, wobei seine Oberflächentemperatur auf circa 3500 Grad sinkt. Da der Stern aufgrund der relativ niedrigen Temperatur nun rot leuchtet, bezeichnet man ihn als »Roten Riesen« beziehungsweise »Roten Überriesen«.
Nicht nur der Stern, auch die Staubwolke, die ihn umgibt, hat einiges zu bieten. Sie gleicht einer Fabrik, in der fortwährend komplexe Moleküle zusammengebaut werden. Unter anderem konnten die Forscher Cyanwasserstoff (HCN), Siliziummonoxid (SiO), Kochsalz (NaCl) und Phosphornitrid (PN) nachweisen. Für Astrobiologen ist vor allem Phosphornitrid von großem Interesse. Einerseits ist Phosphor im Universum relativ selten, andererseits unverzichtbar zum Aufbau der für das uns bekannte Leben charakteristischen Moleküle. Dazu gehören insbesondere die Desoxyribonukleinsäure (DNA), die Blaupause des Lebens, die Ribonukleinsäure (RNA) und das Adenosintriphosphat (ATP), ein Molekül, das in den Mitochondrien der Zellen synthetisiert wird und als universeller Energiespeicher und -spender für alle physiologischen Vorgänge dient.
Vor der Entdeckung von VY Canis Majoris hatte der Stern VV Cephei A den Größenrekord inne. Zusammen mit VV Cephei B bildet er ein Doppelsternsystem im Sternbild Kepheus. Auch er ist ein Roter Überriese, 1600- bis 1900-mal größer als die Sonne. Im Wettbewerb um die Auszeichnung »Größter Stern« ist er jedoch nur die Nummer zwei.
Die Nummer eins im Alters-Ranking der Menschheit ist Methusalem. Nimmt man die Angaben im Alten Testament wörtlich, so hat er 969 Jahre gelebt. Das ist nicht schlecht! Im Vergleich zu den Jahren, die der älteste uns bekannte Stern auf dem Buckel hat, ist das jedoch gar nichts. Der Stern, um den es geht, trägt den Namen HE1327-2326, ist etwa 4000 Lichtjahre entfernt im Sternbild Wasserschlange zu finden und hat eine Masse, die etwas kleiner ist als die der Sonne. Und sein Alter? Rund 13 Milliarden Jahre ist er alt, fast so alt wie das Universum, das seit rund 13,7 Milliarden Jahren existiert. Damit hält HE1327-2326 den Altersrekord unter den Sternen.
Anfang 2005 untersuchte ein internationales Astronomenteam mit Wissenschaftlern aus Japan, Australien, Deutschland, Schweden, den USA und England mit Ultraviolett-Spektrometern am Very Large Telescope (VLT) in Chile und am Subaru Telescope in Japan das Spektrum von HE1327-2326. Es zeigte sich, dass der Stern die geringste Metallizität aufweist, die je gemessen wurde. Da in der Astronomie alle Elemente schwerer als Helium als Metalle bezeichnet werden, versteht man unter »Metallizität« den Gehalt eines Sterns an schweren Elementen. Generell gilt: Je älter ein Stern, umso geringer ist seine Metallizität. In sehr alten Sternen findet man daher nur einen verschwindend kleinen Anteil an Metallen, insbesondere Eisen. Um die Sterne einordnen zu können, vergleicht man ihre Metallizität mit der unserer Sonne. In HE1327-2326 ist der Eisenanteil rund 250000-mal geringer als der in der Sonne (Abb. 42).
Abb. 42: Vergleich der Metallizität unserer Sonne mit der des vermutlich ältesten
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