Sternstunden des Universums
angereichert. Auf diese Weise wuchs die Metallizität der Sterne von Generation zu Generation. Je später sich eine Wolke zu einem Stern verdichtete, umso höher war dessen Metallizität. Damit wird deutlich, warum Sterne mit sehr geringer Metallizität sehr alt sein müssen.
Man kann dieser Logik entgegenhalten, dass es viele Milliarden Jahre gedauert haben könnte, bis die ersten Sterne explodiert sind und das interstellare Medium mit schweren Elementen angereichert wurde. Dann wären die metallarmen Sterne gar nicht so alt. Doch weit gefehlt! Die ersten Sterne waren sehr massereich und deshalb auch sehr heiß. Die Verschmelzungsprozesse liefen somit auf Hochtouren, und die Fusionskette von Wasserstoff zu Eisen war schnell »abgespult«. Mit anderen Worten: Die ersten Sterne lebten höchstens einige Millionen Jahre, bis sie in einer finalen Supernova vergingen und den »metallhaltigen Nährboden« für die nächste Generation bereiteten.
So weit, so gut. Dennoch: Einiges ist irritierend an der ganzen Sache. Die Existenz von HE1327-2326 zeigt, dass im frühen Universum auch Sterne mit einer etwas geringeren Masse als derjenigen der Sonne aus sehr metallarmem Gas entstehen können. Doch selbstverständlich ist das nicht. Entsprechend den theoretischen Modellen zur Sternentstehung sollten sich so kurz nach dem Urknall keine Sterne mit derart geringer Masse gebildet haben. Das hängt damit zusammen, dass ein gewisser Anteil an Metallen in den Wolken unverzichtbar ist, damit diese die bei der zunehmenden Verdichtung entstehende Wärme wieder abstrahlen können. Denn nur bei hinreichend niedriger Gastemperatur kann die Schwerkraft auch kleine Wolkenmassen gegen den thermischen Druck zu einem Stern komprimieren.
Des Weiteren gibt die chemische Zusammensetzung von HE1327-2326 Rätsel auf. Zwar geht man davon aus, dass die schweren Elemente der Wolken, aus denen sich der Stern gebildet hat, von einer vorausgegangenen Supernovaexplosion stammen, aber die gängigen Supernovamodelle spiegeln die chemische Komposition von HE1327-2326 nur unzureichend wider. Demnach ist auch ein anderes Entstehungsszenario denkbar. So könnte sich aus dem Gas der ursprünglichen Wasserstoff-Helium-Wolken zunächst ein Doppelstern gebildet haben. Danach wären in dem massereicheren der beiden Partner nur relativ »leichte« Metalle wie Kohlenstoff erbrütet worden. Einen Teil davon könnten dann Sternwinde auf HE1327-2326 übertragen haben. In der Folgezeit hätte sich dann der massereichere Stern zu einem Weißen Zwerg entwickelt, der noch heute zu finden sein müsste. Den geringen Anteil an schweren Elementen wie Eisen in HE1327-2326 hätte der Stern erst viel später aus den umgebenden interstellaren Wolken aufgesammelt (Abb. 43). Astronomen halten diese »Entstehungsgeschichte« für die wahrscheinlichere.
Als Beweis für dieses Szenario sucht man gegenwärtig angestrengt nach dem vermuteten Weißen Zwerg. Würde man fündig, könnte man auf weitere spektakuläre Entdeckungen hoffen. Denn dann sollten unter den ersten Sternen auch »Sternsingles« mit geringerer Masse als derjenigen der Sonne entstanden sein, die nur aus Wasserstoff und Helium bestehen. Aufgrund ihrer geringen Masse müssten diese Sterne noch heute existieren. Bis dato ist es jedoch nicht gelungen, einen dieser allerersten Sterne aufzuspüren.
Abb. 43: Für die Entstehung des Sterns HE1327-2326 haben die Astronomen zwei Szenarien parat. Eine Entwicklung gemäß Szenario B gilt als wahrscheinlich.
Stichwort »Weißer Zwerg«: Bei der Vorstellung des Rekordhalters unter den Sternen großer Masse war zu lesen: »Weiße Zwerge sind die extrem dichten, erdballgroßen Kerne ausgebrannter, massearmer Sterne.« Damit wird der »Charakter« dieser Objekte jedoch nur unvollständig wiedergegeben. Das mit einem Weißen Zwerg eng verknüpfte, wörtlich gemeinte »Drumherum« darf man nicht vergessen. Denn zunächst ist das, was man später als Weißen Zwerg bezeichnet, der von der stellaren Gashülle umgebene Kern des kurz vor seinem Tod stehenden Sterns. Kernreaktionen laufen dort nicht mehr ab. Lediglich in zwei konzentrischen, schmalen Schalen um den Kern fusioniert der Stern noch Wasserstoff zu Helium beziehungsweise Helium zu Kohlenstoff. Da sich die beiden Schalen auf komplexe Weise gegenseitig beeinflussen, »brennen« sie nicht gleichzeitig, sondern alternierend. Dieses Wechselspiel wiederum führt zu kleinen Instabilitäten, sogenannten thermischen Pulsen, die zusammen
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