Sternstunden des Universums
400000 Jahre nach dem Urknall war die Temperatur im Kosmos bereits auf circa 3000 Grad abgesunken, und die Photonen hatten nicht mehr ausreichend Energie, um eine Vereinigung der Atomkerne mit Elektronen zu ganzen Atomen zu verhindern. Ab da bestand die Materie fast ausschließlich aus atomarem Wasserstoff und Helium. Da das Universum jedoch immer weiter expandierte, wurde es im All immer kälter, und die Wellenlängen des Lichts wurden mehr und mehr gedehnt, will heißen, zu längeren Wellenlängen verschoben. Wenige Millionen Jahre nach dem Urknall waren die Wellenlängen schließlich völlig in den für das menschliche Auge unsichtbaren infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums gerutscht, und das »Dunkle Zeitalter« des Universums begann. Erst als rund 200 Millionen Jahre später die ersten Sterne auftauchten und wieder sichtbares Licht in den Kosmos brachten, ging diese finstere Zeit zu Ende.
Da die ersten Sterne hohe Oberflächentemperaturen aufwiesen, strahlten sie nicht nur im Bereich des sichtbaren Spektrums, sondern sie emittierten insbesondere hochenergetisches ultraviolettes Licht, sogenannte UV-Strahlung. Diese Strahlung ist so energiereich, dass sie einem neutralen Wasserstoffatom das Elektron entreißen kann, ein Prozess, den man auch als »Ionisation« bezeichnet. Zunächst bildeten sich nur kleine Blasen ionisierten Wasserstoffs um die ersten Sterne. Als jedoch immer mehr Sterne aufflammten, wuchsen die Blasen zusammen, und es entstanden riesige Areale ionisierten Wasserstoffs. Die Astronomen bezeichnen diesen Vorgang als »Re-Ionisation« des Universums. Re-Ionisation deshalb, weil der Wasserstoff bis zu dem Zeitpunkt, als sich die Elektronen mit den Atomkernen zu neutralen Atomen vereinigten, schon mal ionisiert war. Berechnungen zufolge setzte die Re-Ionisation etwa 150 Millionen Jahre nach dem Urknall ein und ging rund 850 Millionen Jahre später zu Ende.
Durchläuft das Licht eines Sterns auf seinem Weg zu uns Wolken neutralen Wasserstoffs, so werden insbesondere die Photonen absorbiert, die ausreichend Energie besitzen, um die Wasserstoffatome zu ionisieren. Es werden aber auch Photonen mit exakt der Energie absorbiert, die nötig ist, um das Wasserstoffatom aus dem Grundzustand in einen angeregten Zustand zu versetzen, das heißt, das Elektron des Wasserstoffatoms auf eine höhere Schale zu heben. Beim Wasserstoff sind das insbesondere Photonen mit einer Wellenlänge von 121,6 × 10 -9 Metern, sogenannte Lyman- a -Photonen. Diese Photonen werden vollständig absorbiert, was zur Folge hat, dass kein Licht dieser Wellenlänge beim Beobachter ankommt. Das Spektrum des Sterns zeigt bei dieser Wellenlänge eine Lücke. Man bezeichnet das auch als »Gunn-Peterson-Effekt«. Ist jedoch der Wasserstoff zwischen Stern und Beobachter bereits ionisiert, zeigt sich die Lyman- a -Linie in voller Stärke.
Eine Gruppe von Astronomen um Matthew D. Lehnert am Observatorium der Universität von Paris hat im Spektrum der Galaxie UDFy-38135539 nach dieser Linie gesucht. Dabei galt es zu bedenken, dass die Linie bei ihrer ursprünglichen Wellenlänge nicht zu finden sein wird. Da sich das Universum seit dem Aufleuchten der Sterne in UDFy-38135539 ausgedehnt hat, hat sich auch die Wellenlänge der Lyman- a -Linie vom UV-Bereich des elektromagnetischen Spektrums stark in den IR-Bereich verschoben, und zwar von 121,6 × 10 -9 Metern zu 1161,6 × 10 -9 Metern. Dort hat man die Linie auch gefunden, allerdings nur schwach ausgeprägt. Das deutet darauf hin, dass die Galaxie UDFy-38135539 zeitlich inmitten der Re-Ionisationsepoche entstanden sein muss. Wäre sie später entstanden, wäre die Lyman- a -Linie voll ausgeprägt gewesen, da das Licht auf dem Weg zu uns keine Verluste durch Absorptionsprozesse erlitten hätte.
Damit gehört UDFy-38135539 zu den ersten Galaxien, die dazu beigetragen haben, den für UV-Licht undurchdringlichen »Nebel« im frühen Kosmos aufzulösen. Den Radius der Blase ionisierten Wasserstoffs um UDFy-38135539 schätzen die Astronomen auf 300000 bis 1,5 Millionen Lichtjahre. Berechnungen zufolge ist die Blase jedoch zu klein gewesen, um den Lyman- a -Photonen freie Bahn zu verschaffen. Unter diesen Umständen hätte man die Lyman- a -Wellenlänge nicht beobachten können. Daraus schließen die Astronomen, dass UDFy-38135539 nicht die einzige Galaxie ist, die bereits so kurz nach dem Urknall existierte, sondern dass es noch andere Galaxien gibt, die geholfen haben, das
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