Sternstunden des Universums
Beispielsweise könnte der Ausbruch das Ergebnis einer Verschmelzung zweier Sterne gewesen sein. Man weiß, dass in Doppelsternsystemen im Lauf der Sternentwicklung die äußere Gashülle des einen Sterns auf den anderen »überschwappen« kann. Damit wäre der erste Helligkeitsausbruch zu erklären. Anschließend könnte das gesamte System instabil geworden sein, und die beiden Sternkerne wären miteinander verschmolzen – eine Erklärung für den zweiten Ausbruch. Den dritten Ausbruch hätte dann der Aufprall restlicher Gasmassen auf die vereinigten Sterne ausgelöst. Anhand von Computersimulationen konnte man zeigen, dass für dieses Szenario eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht.
Eine spektakulärere Theorie hat eine Astronomengruppe an der Universität von Sydney entwickelt. Alon Retter und Ariel Marom vermuten, dass die Helligkeitsausbrüche von V838 Monocerotis auf Kannibalismus zurückzuführen sind. Demnach hat der Stern nacheinander drei massereiche, dem Jupiter ähnliche Planeten verschluckt. Die dabei frei gewordene Gravitationsenergie könnte die Helligkeitsausbrüche verursacht haben. Da sich der Stern damit auch frisches Wasserstoffgas von den Planeten einverleibt hatte, konnten Kernverschmelzungsprozesse in der Sternhülle zünden, wodurch die Ausbrüche zusätzlich »befeuert« wurden.
Abwegig ist dieses Szenario keineswegs. Langjährige Untersuchungen haben ergeben, dass viele Sterne im Lauf ihrer Entwicklung zu einem Sternriesen sehr wahrscheinlich einen oder mehrere Planeten verschluckt haben. Auch einigen Planeten in unserem Sonnensystem prophezeien Astronomen ein derartiges Schicksal. Wenn sich die Sonne in einigen Milliarden Jahren zu einem Roten Riesen aufbläht, wird sie über die Umlaufbahnen der inneren Planeten hinauswachsen und den Merkur, die Venus und vielleicht auch die Erde verschlingen.
Am Anfang dieses Kapitels haben wir darauf hingewiesen, dass man auch mit den besten zurzeit verfügbaren Teleskopen Schwierigkeiten hat, einzelne Objekte in weit entfernten Galaxien genau zu untersuchen. Die Sterne sind schlicht zu leuchtschwach. Handelt es sich jedoch um eine ganze Galaxie mit einigen Milliarden Sternen, sieht die Sache anders aus. Galaxien sind so leuchtkräftig, dass sie auch aus enormer Entfernung noch auszumachen sind. Insofern brechen wir zum Schluss mit der bisherigen »Gewohnheit«, ausschließlich Sterne vorzustellen, und nehmen eine ganze Galaxie ins Visier.
Auch bei diesem Objekt handelt es sich um einen Rekordhalter. UDFy-38135539, so sein Name, ist die am weitesten entfernte Galaxie, die man bisher gefunden hat. Sie leuchtet im Sternbild Chemischer Ofen, das nur von der Südhalbkugel aus zu sehen ist. Entdeckt hat man die Galaxie 2009 in einer mit dem Hubble-Teleskop gemachten Aufnahme extrem entfernter Galaxien, dem sogenannten Hubble Ultra Deep Field (HUDF). Um die aufgrund ihrer Entfernung sehr lichtschwachen Galaxien »ablichten« zu können, musste das HUDF-Bild ungewöhnlich lange belichtet werden. Insgesamt 11 Tage und 7 Stunden starrte Hubble auf denselben Himmelsbereich (Abb. 48).
Abb. 48: In der vom Hubble-Weltraumteleskop 2009 gemachten Infrarotaufnahme des fernen Himmels ist die bereits 600 Millionen Jahre nach dem Urknall entstandene Galaxie UDFy-38135539 gerade noch zu erkennen (Bildausschnitt links oben). Mittlerweile hat man jedoch eine Galaxie entdeckt (UDFj-39546284), die nochmals 150 Millionen Jahre älter ist.
Mit etwa einem Zehntel des Milchstraßendurchmessers ist UDFy-38135539 eine relativ kleine Galaxie. Rund eine Milliarde Sterne zählen zu diesem Sternverband. Ihre Gesamtmasse wird von den Astronomen auf höchstens 1 Prozent derjenigen unserer Galaxis, der Milchstraße, geschätzt. Die Sterne dieser Galaxie müssen also deutlich kleiner und masseärmer als »unsere« sein. Was die Galaxie UDFy-38135539 jedoch so interessant macht, ist ihre enorme Entfernung. Ihr Licht hat 13,1 Milliarden Jahre gebraucht, um zu uns zu kommen. Da das Universum 13,7 Milliarden Jahre alt ist, müssen die Sterne dieser Galaxie rund 600 Millionen Jahre nach dem Urknall schon geleuchtet haben. Aufgrund der fortwährenden Expansion des Universums ist UDFy-38135539 heute rund 30 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt.
Interessanter noch als die Entfernung ist die Tatsache, dass UDFy-38135539 Auskunft geben kann über den Zustand des Kosmos 600 Millionen Jahre nach dem Urknall. Blenden wir kurz zurück in eine Zeit, als das Universum noch viel jünger war. Rund
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