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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ich an einem Haus eine Hellebarde erblickte, die an der Mauer lehnte, nahm ich sie im Vorbeigehen mit und marschierte weiter. Meine Absonderung konnte jedoch seltsam erscheinen, also nutzte ich den Umstand, daß einer von drei vor mir schreitenden Wächtern in einen Torweg einbog, um die abrutschende Rüstung zu befestigen, und trat an die von ihm verlassene Stelle der Dreiergruppe. Die ideale Ähn lichkeit aller Roboter kam mir zustatten. Meine beiden Gefährten schwiegen eine Zeitlang, schließlich sagte einer: »Wann bekommen wir unseren Sold, Brebran? Die Langeweill setzt mir arg zu, und ich thät gar artig mit einer Elektrieze spielen.«
      »Recht sprichst du, Kamerad«, erwiderte der zweite, »unser Dienst ist nit leicht.«
      So durchquerten wir die gesamte Innenstadt. Ich schaute mich eifrig um und bemerkte unterwegs zwei Gaststätten, vor denen ein wahrer Wald von Hellebarden an den Wänden lehnte. Ich stellte jedoch keine Fragen. Die Beine taten mir schon ordentlich weh, außerdem war es in dem eisernen Kasten ziemlich stickig, denn die Sonne sengte herab, und die Nase juckte von dem rostigen Staub – ich fürchtete, ich müßte niesen, also versuchte ich etwas abzurücken, aber beide brüllten los: »He, Brüderchen! Wohin so eilig? Willst, daß dir die Obrigkeit die Stelzen zertrümmert? Bist am end toll worden?«
      »Mitnichten«, erwiderte ich, »hab mich nur ein Weilchen hinhocken wollen.«
      »Hinhocken? Hat dir die Pest die Spule versengt? Sind wir doch im Dienst, wackere Eisentonner!«
      »Nun denn«, erwiderte ich zustimmend, und wir marschierten weiter. Nein, dachte ich mir, so komme ich nicht voran. Ich muß anders an die Dinge herangehen. Wir streiften noch einmal durch die ganze Stadt, unterwegs hielt uns ein Offizier an.
      »Refernasor!« rief er.
      »Brentakurdwium!« schrien meine Gefährten zurück. Ich merkte mir gut Parole und Gegenparole. Der Offizier musterte uns von vorn und hinten und befahl uns, die Hellebarden höher zu halten.
      »Wollt ihr wohl richtig zupacken, ihr Liederjane!! Öfen seid ihr, nit aber Hellebardiere seiner Induktivität! Tritt gefaßt! Im Gleichschritt, marsch!«
      Die Hellebardiere nahmen die Besichtigung kommentarlos hin. Die Sonne stand im Zenit, und ich verfluchte den Augenblick, da ich beschlossen hatte, freiwillig zu diesem scheußlichen Planeten zu reisen; obendrein machte mir der Hunger im Gedärm zu schaffen. Ich befürchtete sogar, daß mich das Knurren verraten könnte, also bemühte ich mich, so laut wie möglich zu quietschen. Wir kamen an einer Gaststätte vorbei. Ich warf einen Blick hinein. Fast alle Tische waren besetzt. Die Großartigen oder – wie ich sie in Gedanken nach den Worten des Offiziers nannte – die Öfner saßen reglos da, in bläulichem Schmelz. Von Zeit zu Zeit rasselte einer von ihnen oder wandte den Kopf, um mit seinen gläsernen Blinkern auf die Straße zu schauen. Sie aßen nicht, sie tranken nicht, sie schienen nur auf irgend etwas zu warten. Der Kellner – ich erkannte ihn an seiner weißen Schürze, die er über der Rüstung trug – stand an der Wand.
      »Vielleicht setzen wir uns für eine Weile zu ihnen?« fragte ich, denn ich hatte mir schon in den eisernen Schuhen Blasen gelaufen.
      »Wahrlich, du bist ein Liederjan!« fielen meine Gefährten über mich her. »Setzen hat man uns nicht befohlen. Gehen ist unser Recht. Sorg dich nicht, die da werden schon mit List dem Leimer zu Leibe rücken, wann er kommt und mit dem Verlangen nach Suppe oder Milchbrei seine feindliche Natur kundtut.«
      Ohne davon ein Wort zu begreifen, trottete ich gehorsam weiter. Allmählich packte mich die Wut, doch schließlich lenkten wir unsere Schritte zu einem großen roten Ziegelgebäude, an dem die schmiedeeiserne Aufschrift hing:

    HELLEBARDIERKASERNE
    SEINER LICHTEN INDUKTIVITÄT KALKULATRICIUS DES ERSTEN

    Am Eingang konnte ich meinen Gefährten entwischen. Die Hellebarde stellte ich neben den Wächter, als er sich mit Geklirr und Gerassel umdrehte, und trat in die nächste Nebenstraße. Gleich um die Ecke stand ein ziemlich großes Gebäude mit dem Schild SCHENKE ZUR AXT. Ich warf nur einen Blick hinein, doch der Hotelier, ein stämmiger Roboter mit einem kurzen Rumpf, kam mit munterem Knirschen heraus. »Willkommen, Euer Wohlgeboren, willkommen… Trage untertänigst meine Dienste an. – Vielleicht ein Zimmerchen gefällig?«
      »Fürwahr…«, begann ich, da zog er mich auch schon hinein.

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