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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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wurde, und sie sang ihm ins Ohr, damit er wieder lachte. Aber die traurigen, kleinen Felder hier würdigte Robin keines Blickes. Er hob den Kopf, stellte sich auf die Zehenspitzen und sagte: »Da hinten, siehste den Bau?«
    Bist dir wie ein Fahnder vorgekommen, Robbi, stimmt’s? Undercover durch Nacht und Nebel schleichend, alles besiegend, den Wind und den Regen und die Kälte auf der Haut. Vielleicht auch das Böse, aber was wußten wir vom Bösen denn? Wir haben bloß diese Bude gesehen, in der vielleicht Penner hausten und die so aussah, als wäre sie vor langer Zeit einmal ein Wochenendhäuschen gewesen. Was sollte da sein? Aber du hast ja gucken müssen, Robbi, weil dein Kumpel es dir so genau beschrieben hat: hinter den Gärten das Haus.
    »Brennt Licht«, flüsterte Robin. »Siehste?«
    Zwischen den Ritzen der Jalousien kam es hervor und schien sie zu verschlingen, als sie näher kamen. Lieber wieder weg, Mann, was sollen wir hier? Was mußtest du dir da bloß in den Kopf setzen, hast du gedacht, du könntest wie ein Spanner durchs Fenster gucken, hast du geglaubt, man ließe es zu?
    »Hör auf«, sagte Dorian, als Robin sich am Fenstersims hochzog, »laß es.« Das war in dem Moment, als ihn jemand umarmte.
    Es war kein harter Griff. Er guckte auf Robins Füße, die Halt suchten am Gemäuer, als er die Hände spürte. Dann sprang Robin herunter und drehte sich um. Was hast du sagen wollen, hast du was gesehen? Dorian sah Robins Blinzeln, dann ließen die Hände ihn los.
    Man hat uns umzingelt, nicht? So könnte man das nennen, denn sie waren zu zweit. Zwei Männer in Mänteln, Robbi, einer für dich und einer für mich, die nicht gefährlich aussahen, weder wie Wachen noch wie Türsteher einer Diskothek. Es waren einfach Männer, die du auf der Straße siehst, ohne dir etwas zu denken. Am Käsestand bei Hertie würden sie den teuersten Käse kaufen und vielleicht noch ein Glas Wein dazu trinken, genauso sahen sie aus. Man mußte keine Angst vor ihnen haben.
    Nur einer sprach, der andere stand abwartend da. Es war ein großer, schlanker Kerl, der redete, einer mit lockigem Haar, den Dorian zu kennen glaubte. »Habt ihr das Schild nicht gesehen?« fragte er. »Da steht Privatgrundstück.« Erneut faßte er Dorian an, packte sein Handgelenk und schob seinen Jackenärmel nach oben. »Wolltet einen Bruch machen, ja? Bengelchen, was glaubt ihr denn, was es hier zu holen gibt?«
    Er hatte eine tiefe Stimme, die Dorian schon gehört hatte, ohne zu wissen, wann das gewesen war. Doch irgendwann einmal, vor vielen Jahren, hatte diese Stimme schon einmal Bengelchen gesagt.
    »Wo simmer dann?« krähte Robin los, »es kann uns keiner verbieten –«
    »Bengelchen«, rief der Mann, »mach mal halblang, ja?« Dorian sah ihn lächeln, so wie Menschen lächeln, die sich einig sind. Ein kurzes Zucken der Lippen war es nur und ein Weiten der Augen für einen Moment. Es galt nicht Robin, dieses Lächeln, es galt dem stummen anderen Mann.
    Aber wir haben nichts getan, Robbi, wir waren keine Junkies, die einen Bruch machen wollten. Du hast geschrien, als der Stumme dich packte, hast vor Wut mit den Beinen gestrampelt, das hab ich gesehen. Weißt du, daß ich so lange auf deine in der Luft tanzenden Stiefel geguckt hab, daß ich die Hände, die meine Arme auf den Rücken rissen, gar nicht mehr spürte? Deine Stiefel waren hin, das kam von dem Matsch, durch den wir gelaufen sind, und Frau Tillmann würde sagen, sie haben gelitten. Sie litten und starben, deine Stiefel, und als wir drin waren im Haus, da waren sie längst tot.
    Die Kinder vor seinem Fenster spielten nicht mehr. Kein Lachen mehr und keine Rufe, denn jetzt waren alle Zwerge daheim. Bevor sie gingen, hatten sie mit ihren wackeligen Stimmchen noch ein Lied gesungen, was ihn an jenen Tag erinnerte, als Katja ihn auf den Schoß zog, seine Hände nahm und übers Klavier fliegen ließ. Staunend guckte er zu, was sie mit seinen Fingern machte, denn was er hörte, war beinah richtige Musik. Sie hatte ihm applaudiert, als die Töne verklungen waren, und gesagt, die Musik hieße Türkischer Marsch.
    Dorian ließ sich an der Wand heruntergleiten, bis er auf dem Boden saß. Neben ihm lag das Sternenbild, Robin mit seinem Bärchen im Arm, mit Paco, Robin nur mit einem Bein, was Christians Fehler war, der Fehler des Fotografen, Robin hinter Katja stehend, die ihm die Sterne holte, und neben Dorian, der irgendwohin winkte, wo vermutlich niemand war. Später, Robbi, Jahre später

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