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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Foto des Jungen. »Robin Kammer. Der tote Junge vom Südfriedhof, haben Sie es nicht in der Zeitung gelesen?«
    »War er damals jung genug?« fragte Ina.
    »Unterstehen Sie sich«, rief Belloff.
    »War eine tolle Sache.« Sie fing wieder an, langsam um ihn herumzugehen. »Zwölf, dreizehn, was meinen Sie? Ganz frisch. Und er konnte sich nicht wehren, damals nicht. Schauen Sie her, das ist doch gefilmt worden, dieses Foto ist ein Ausschnitt dieses Films. Er weint, sehen Sie?«
    »Nein.«
    »Aber ja, das tut er. Er hat laut geschrien, nicht wahr?«
    »Nein.«
    »Nicht? Leise geweint? Das vergißt man doch nicht.«
    »Lassen Sie das.« Belloff drehte den Kopf zu seiner Frau, doch die sah woandershin.
    »Gucken Sie doch hin.« Sie beugte sich über ihn, das Foto in der Hand. »Heute können Sie so was gar nicht mehr machen, ich meine, da sitzen Sie herum und träumen davon. Hab ich recht?«
    »Aufhören, hören Sie auf.«
    »Schauen Sie, und zu diesem Foto haben wir den ganzen Film. Wissen Sie, wen wir sonst noch auf dem Film gesehen haben?«
    Belloff sah sie an, ein Hündchen, bevor es zu winseln begann, und da wußte sie, daß sie ihn hatten. Manchmal war es einfach zu bluffen, meistens ging es ja schief.
    »Ich hab ihn nur das eine Mal gesehen«, murmelte Belloff. »Danach nie wieder.«
    »Wie kam er hin?«
    »Was meinen Sie?«
    »Ich frage, wie er dahin kam. Er wird nicht einfach so hereinspaziert sein, nicht? Wie lief das ab?«
    »Das war seine Angelegenheit.« Belloff machte ein trotziges Gesicht. »Kemper hat dafür gesorgt, daß sie kamen. Ich weiß von nichts.«
    »Ah, Sie wissen nichts. Herr Ingenieur, wir könnten weiterkommen. Vor ein paar Wochen hat er Sie aufgestöbert, kann das sein?«
    »Aber nein«, rief Belloff. »Sie können mir so etwas nicht unterstellen, ich hab doch niemanden ermordet, wer weiß, wo der sich rumgetrieben hat.«
    »Bei Ihnen?« Sie lächelte ihn an. »Er kam und wollte Geld, und er hat Ihnen von Videos erzählt, die er besaß.«
    »Wie soll ich jemanden umbringen, gucken Sie mich doch an.«
    »Herr Belloff«, sagte Kissel leise. »Sie wissen, daß wir Ihnen sehr entgegenkommen, wenn Sie aufhören, so stur zu sein. Das bringt doch nichts, da haben Sie uns viel länger am Hals.«
    »Gucken Sie mich doch an«, brüllte Belloff. »Nach mir fragt keiner. Die hat mich zum Krüppel gefahren, aber ich, ich habe niemals jemanden –«
    »Zum Krüppel geschlagen, meinen Sie das?« Ina holte Luft und wollte weiterreden, immer weiter auf ihn eintrommeln, bis er zusammenbrach, als sie in Kissels Blick etwas sah, was sie innehalten ließ.
    »Von wem sprechen Sie?« fragte Kissel leise und sanft. »Sie sagten, die hat mich zum Krüppel gefahren. Wer hat Sie zum Krüppel gefahren?«
    Der Mann kämpfte mit den Tränen. »Das Miststück«, flüsterte er.
    »Das Miststück hat einen Namen«, sagte Kissel.
    »Die Katja.«
    »Frau Kammer?«
    »Ja.«
    »DAS HAST DU NIE GESAGT«, schrie Frau Belloff. »Du hast immer gesagt –«
    »ICH HAB SIE DOCH GESEHEN.« Belloff wollte heraus aus seinem Stuhl. Er beugte sich nach vorn und fand keinen Halt. Er streckte die Arme aus und griff ins Leere. Wimmernd legte er den Kopf schief und wartete auf seine Frau, die ihn mit hartem Griff zurückschob wie ein Kissen, das vom Sofa fiel. Würde sie ihn jetzt zurechtrücken und mit der Handkante auf ihn einschlagen?
    »Sie hatte Kempers Wagen.« Belloff saß zusammengesunken da. »Ich hab mich noch gewundert drüber, weil er sie kurzgehalten hat, der wußte, warum. Den hat sie sich einfach genommen, denke ich mir, denn das durfte sie nicht. Ich bin den Weg entlang, und sie ruft mich, ruft mich aus dem Auto heraus. Hatte so ein schwarzes Tuch auf. Sie guckt raus und ruft: Kann ich Sie ein Stück mitnehmen? Da bleib ich stehen, weil ich mich gewundert hab, und dann – dann fährt sie einfach auf mich los und dann –« Belloff schlug die Hände vors Gesicht und flüsterte: »Und dann weiß ich doch nichts mehr.«

[ 13 ]
    Dorian sah auf die Kinder. Fröhliche Zwerge tobten vor seinem Fenster, trampelten durch Pfützen und fischten mit Stöckchen nach kleinen Wundern. Ein Wurm? Iiih, ein Wurm, nee, laß mal gucken, ist doch gar kein Wurm, Mensch, ist so ein Ding, was die haben, womit se dann – also, ich weiß net so genau, aber ich glaub, es is ein Präser, weißte?
    Weißte, was des is?
    So hatten sie es als Kinder auch gemacht, Robin und er, immer gegraben, in Wiesen und auf Feldern und unter Bäumen am Straßenrand.

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