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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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und so ’ne Tussi ist dabei.«
    »Na und?« fragte Dorian.
    »Der Kumpel von meinem Kumpel war da mal drin. Der hängt am Bahnhof rum, und da haben sie ihn eingeladen, alles streng geheim. Und wie der zurückkam, sagt er, daß er da nie wieder hinwill. Wollte aber nicht sagen, was da abgeht.« Robin trat mit voller Kraft gegen die Wand, und seine Stimme wurde etwas dünn. »Jetzt erzählt der aber, die Tussi, die da rummacht, war ’ne ehemalige Sängerin und hieß Katja.«
    In Robins Brillengläsern tanzte das Deckenlicht, und jetzt, Jahre später, konnte Dorian sie plötzlich wieder sehen, Gläser, die funkelten. Da war kein richtiges Gefühl in ihm, als Robin das erzählte, oder hatte er es vergessen? Kein Gefühl, nur etwas, das sich aufpumpte in ihm wie ein Luftballon.
    »So ’n Quatsch«, sagte er. »Robbi, wenn das unsere Mutter wär, dann wär die ja hier, hier in der Stadt, dann würde sie doch kommen.«
    »Bah, du Arsch.« Robin sah aus, als würde er gleich auf den Boden spucken und ihn leiden lassen. »Du blöder Depp.«
    »Mensch, was willst du von mir? Das kann doch nicht sein.«
    »Das check ich«, sagte Robin. »Das find ich raus, ob die das ist. wenn’s die Sau ist – ich sag dir, Mann –«
    »Quatsch doch nicht. Die würde doch nicht zwei Kilometer von uns weg sein und sich nicht bei uns melden.« Dorian sagte längst nicht mehr: Sie wird uns holen, denn sie waren keine Kinder mehr. Doch er wußte, daß sie kommen würde, wußte es besser als Robin, der einmal gesagt hatte: Die hat uns loswerden wollen, die Sau. Seitdem hatte er nie wieder von ihr gesprochen, bis zu diesem Abend, als er ihren Namen nannte, an diesem Abend in ihrem Zimmer, als von oben der Fernseher dröhnte.
    »Was ist?« fragte Robin. »Willste’s wissen oder nicht?«
    »Du kannst doch nicht einfach in irgendeinen Schuppen gehen, wer weiß, was da abgeht. Wenn dein Kumpel nicht drüber reden will, wird’s da so toll nicht sein.«
    »Ich mach das«, sagte Robin. »Wenn du zu feige bist, laß es. Mir passiert nix.«
    »Die kann es nicht sein, Robbi, das ist irgendeine Frau. Dein Kumpel redet Mist, der will dich verarschen.«
    »Ich find’s raus. Was ist, kommste mit oder haste Schiß? Paß auf, Mann, das checken wir.«
    Paß auf.
    Robbi, wir haben uns nicht viel dabei gedacht, oder? Sind einfach los und kamen uns vor, als hätten wir einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Grimmig entschlossen der eine, skeptisch der andere, der eigentlich nur mitging, um den kleinen Bruder, der unbedingt Detektiv spielen wollte, zu beschützen.
    Dorian preßte die Handflächen gegen die Wand und merkte, daß er wie ein Festgenommener im eigenen Wohnzimmer stand. Schwach tönten die Laute der Kinder durch das geschlossene Fenster, doch schafften sie es nicht, Robins Stimme zu verdrängen. Feuer im Kopf und seine Stimme – nicht diese dumpf klingende Stimme des Toten in ihm, sondern jene von früher, Robins heiseres Krächzen. Seit Tagen dachte er über diese Worte nach – checken wir, passiert nix – doch erst jetzt loderte das Feuer in seinem Kopf so hell, daß er ihren Sinn wieder verstand. Paß bloß auf.
    Es war dunkel, und er suchte die Sterne, doch sah er nur einen Zipfel vom Mond. Es war ein kalter Herbstabend, wie hatte er das vergessen können? Ein heftiger Wind blies ihnen Nieselregen ins Gesicht, und sie gingen geduckt wie Diebe auf der Flucht. In der U-Bahn zählten sie die Stationen; »Noch drei«, sagte Robin, »noch zwei – die nächste – hier isses.«
    Hier? Bäume und ein paar Bänke auf matschigem Gelände, nirgendwo ein Haus. Trostlos alles um sie herum. Bei besserem Wetter kämen vielleicht Jogger vorbei, angekläfft von Hunden, deren Herrchen und Frauchen den Joggern zuriefen, daß die Tölen bloß spielen wollten, doch an diesem Abend waren sie allein.
    »Hier ist doch nichts«, sagte Dorian. »Was erzählst du denn?«
    Robin kramte einen Spickzettel hervor und las nach, was sein Kumpel berichtet hatte. »Hinter den Gärten«, murmelte er, »Stück dahinter.«
    Es war still. Die wenigen Geräusche verstärkten die Stille noch und drängten sich auf wie ein Poltern in der Nacht, eine Hupe, ein Motorrad, Fahrradgeklingel von irgendwoher. Nach fünf Minuten konnten sie die Kleingärten sehen, ein paar abgezäunte Stückchen Erde, die Dorian an die Felder im Dorf erinnerten, an denen sie mit Christian und ihrer Mutter vorbeispaziert waren – ob Robin sich erinnerte? Katja hatte ihn getragen, wenn er müde und quengelig

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