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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Täterin. Dann entschuldigst du, wo es vielleicht nichts zu entschuldigen gibt.«
    »Ich will sie einfach treffen, ich kann das nicht erklären. Sie hat so was –« Ina malte eine kleine Blume auf die Windschutzscheibe. »Vielleicht hat sie einfach versucht, so zu leben, wie sie will, und man hat ihr nur Steine in den Weg gelegt.«
    »Hat man? Oder hat sie sich die selber in den Weg gelegt?«
    »Ich weiß nicht.« Ina legte die Fingerspitzen aneinander und blies darüber. »Ich bin sicher, daß ich stundenlang mit ihr reden könnte, sie tausend Sachen fragen, kann ich schwer erklären. Seit ich sie kenne – nein, ich kenne sie ja nicht, aber ich denk jetzt darüber nach, daß ich gern was anderes machen würde, was weiß ich.«
    »Du solltest es aber wissen«, sagte Nicole.
    »Was ist das denn?« Ina schloß die Augen. »Man sieht die Menschen, wie man sie nie sehen will, irre, böse oder tot. Und dann hat man höchstens noch ein paar Stunden für sich selber, so ist es doch, oder?«
    »Ich glaube, du machst dir falsche Vorstellungen«, sagte Nicole.
    »Was, von meinem Leben?«
    »Nein, von ihr. Ich stell mir gerade vor, du hast sie endlich, und dann stehst du vor einer bösartigen alten Hexe. Sie hat ihre Kinder im Stich gelassen, nicht?«
    »Ach –« Ina schüttelte den Kopf. »Sicher wird sie anders aussehen, die Haare waren ja eh gefärbt früher. Außerdem hat sie – hatte sie blonde Kinder.« Sie beugte sich herüber zu Nicole und küßte sie auf die Wange. »Als käm’s darauf an.«
    »Auf jeden Fall«, sagte Nicole, »würd ich dann gern einmal Mäuschen spielen.«
    Ihre Stimme drang durch das Piepsen des Weckers am nächsten Morgen; Nicole sagte: »… alles so kompliziert da drinnen.« Raubmord war einfacher. Klares Motiv, rekonstruierbarer Tatverlauf, kein Gedöns mit der Psyche. Ina holte den randalierenden Wecker unter die Bettdecke, weil sie die Taste zum Abstellen wieder nicht fand, und hörte Toms leises Seufzen, als er sich auf die andere Seite drehte. Er feierte Überstunden ab, durfte ausschlafen. Sie beugte sich über ihn und strich ihm durchs Haar; er seufzte lauter und murmelte: »Mach mich bloß nicht wieder wach.«
    Am Morgen zuvor hatte sie ihn tatsächlich rüde geweckt, weil sie seinen Atem nicht hörte. Nie darauf geachtet, und dann fiel ihr die Kammer ein, deren Freund neben ihr gestorben war. Eigentlich fiel sie ihr jeden Morgen ein, mal mit diesem, mal mit jenem. Tommy? Sie schubste ihn, bis er sich jammernd beschwerte und mit dem Kopf unter der Decke verschwand.
    Sie nahm Robin Kammer mit unter die Dusche, konnte ihn noch immer zwischen den Gräbern liegen sehen mit diesem grauweißen, ruhigen Gesicht. Hatte er seinem Bruder von einer fremden Frau erzählt, die ihre Hand auf seine Schläfe legte? Doch kurz vor seinem Tod, als Klaus Tillmann ihn mit diesem Video erwischte, sagte er: Das ist die Kammer. Wie war er an das Video gekommen, das hatten sie noch immer nicht geklärt. Überall Schleier, so kam es ihr vor, Schleier, die man zur Seite schob, bloß um ins Nichts zu sehen, in eine nie endende Dunkelheit.
    Krieg ich dich heute?
    Im Konferenzraum der Mordkommission ging Pagelsdorf mit einer Liste auf und ab. Dorian Kammer war noch ein paar Tage zu überwachen, auch wenn er wieder im Dienst war, seine Mutter war. ausfindig zu machen und die Teilnehmer dieser monströsen – er räusperte sich energisch – Zusammenkünfte in diesem Schuppen waren ebenso vollständig zu ermitteln wie das nähere Umfeld des getöteten Steffen Kemper.
    »Mit links«, murmelte Kissel.
    »Sie kriegen noch weitere zwei Kräfte«, sagte Pagelsdorf.
    Kissel deutete Beifall an. »Übernehmen Sie sich nicht.«
    Zurück in ihrem Zimmer rief Ina beim Ordnungsamt an, um sich nach einer Bar namens Lunaland zu erkundigen. Was ging vor in Dorians Hirn, warum hatte er sie erwähnt, ohne daß es einen Grund dafür gab? Aber genaugenommen hatten sie doch immer ihre Gründe, hatte alles, was sie erzählten, einen Sinn, den außer ihnen niemand verstand.
    Der Beamte am anderen Ende konnte nichts Auffälliges berichten, stinknormale Schmuddelbar, weiter nichts. Früher hieß sie einmal Pink Crack, da war sie ein bißchen derber, doch auch da war nichts Besonderes los.
    »Pink Crack?« fragte sie. »Was soll das denn, da verrenkt man sich ja den Gaumen.«
    »Übersetzt sollte das heißen rosa Ritze«, sagte die müde Stimme. »Haben sie dann abgeschafft wegen dem Wort Crack, nicht wegen dem schlechten Englisch. Der

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