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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Reporterin, die log. Ein Monster auf plumpen Füßen, mit denen sie aber so schnelle Schritte machte, daß er kaum mithalten konnte. Sie drehte sich nicht um. Manche merkten ja, wenn sie verfolgt wurden, aber die hier nicht, die rannte durch die Stadt, als müßte sie noch mal schnell in den Supermarkt, bevor der schloß und sie elend verhungern ließ.
    Katja hatte sich auch nicht umgedreht; komisch, was ihm in letzter Zeit so alles einfiel, aber als sie vor dem Haus der Tillmanns standen, hatte Katja ihre Hände gedrückt und war gegangen. Das war ein komischer Abschied. Sie dachten ja, sie würde zum Bäcker gehen oder so, zum Friseur und käme dann zurück, um sie wieder mitzunehmen, so war es doch, Robbi; eine Weile, hatte sie gesagt, doch wußten wir nicht, daß eine Weile zur Ewigkeit wird und was dann geschieht. Damals, als sie uns im Hotel Calypso sagte, daß wir fortmüßten, haben wir es nicht kapiert. Das geht ja auch nicht, kein Mensch, der glücklich ist, kann begreifen, daß es aufhört mit dem Glück.
    Es war kein schönes Hotel. Zwar hatten sie ihr eigenes Zimmer, doch war es nicht in Ordnung, weil es keine bunten Tapeten hatte und keine lustigen Möbel, wie sie das kannten. Das geht hier nicht, sagte Katja, das ist bloß ein Hotel. Sie versprach ihnen, bald wieder in eine Wohnung zu ziehen, sie sagte, ich hol euch die Sterne. Ihr selber gefiel das Hotel auch nicht so gut, weil kein Klavier in ihrem Zimmer stand, und einmal, als er lachte, weil sie auf dem gedeckten Tisch ihre Finger tanzen ließ, flüsterte sie: »Dori, ich hör sie nicht mehr.«
    »Was denn?«
    »Na, die Musik.« Dabei lächelte sie ein merkwürdiges Lächeln, als würde sie viel lieber weinen.
    Ihre Hände – was war mit ihren Händen? Ja, sie bewegten sich manchmal wie von selbst, und dann konnte er an ihrem Gesicht erkennen, daß sie das gar nicht wollte. Zappelnde Hände, ruhelos, die Fingerspitzen klopften überall herum. Sie ließ Sachen fallen und machte viel kaputt, lief im Zimmer hin und her und zitterte, wenn sie ihn umschlang. Zitternde Hände und zitternde Beine, ja, aber sie nahm Tabletten dagegen, Tabletten, die sie nicht mochte, denn einmal warf sie eine Handvoll auf den Boden und trampelte darauf herum, nur um sich dann hinzuhocken und alles wieder einzusammeln. Mit einem Zettel nahm sie die kostbaren weißen Reste auf, schob vorsichtig und leise fluchend das Pulver in ein kleines Glas. Einmal schrie sie das Foto von Christian an und fing an zu weinen.
    Draußen war es schöner, Robbi, weißt du noch? Wir haben am Bahnhof gestanden und die Züge angeguckt und sind den dicken, schwarzen Frauen in ihren bunten Kleidern hinterher. Auf den Straßen waren Abenteuer, und auf dem Schulhof konnte man kicken. Dorian kickte nicht mehr mit Christian, denn der war ja tot, sondern mit einem Jungen, der Kamil hieß und aus Kurdistan kam und der zu ihm sagte: »Kickst bald wie ’n Maradona, der is aach bißche klaa.« Im Tor stand ein Junge aus der Türkei, der sagte, es gäbe gar kein Kurdistan, und Dorian kicke auch nicht wie Maradona, sondern höchstens wie Bernd Schuster. Damals lachte keiner über seinen Namen, das kam erst später, als er bei Tillmann wohnte und wieder in eine andere Schule ging, da erst sagten sie Dorian und näselten dabei wie blöd, Do rian, das klingt aber schwul.
    Manchmal tobten sie im Hotel herum, Robin und er, und wenn sich andere Gäste beschwerten, knallte Katja ihnen die Tür vor der Nase zu. Es konnte auch passieren, daß sie sie gleich wieder öffnete, um den Leuten etwas hinterherzuschreien. »Dori«, sagte sie einmal, »das beschissene Geld«, oder »Dori, wieso kann ich nicht mehr spielen, Himmelarsch.« Er lachte, weil das komisch klang, doch sie lachte nicht mehr mit. Früher hatte sie dauernd gelacht, und dachte er heute an all das Schöne, vermißte er ihr Lachen.
    Es kamen auch Leute ins Hotel, die auf Katja einredeten und plötzlich schwiegen, wenn Dorian ins Zimmer kam. Kemper war nicht dabei. Dorian wußte, daß er Kemper damals nicht gesehen hatte, nicht im Hotel, er war nie gekommen. Das hat die Kommissarin Henkel doch wissen wollen, Robbi, ob Katja mit Kemper, nachdem sie ausgezogen waren, wieder zusammen war. Dorian schüttelte den Kopf, nein, er hatte Kemper nicht gesehen, sie war nie wieder mit ihm zusammen. Kemper war dann mit einer anderen zusammen, einer ganz anderen Frau.
    »Nee, ne?«
    Was? Er zuckte zusammen, als er diese Stimme hörte und das grelle Lachen, aber es war

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