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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Klein.
    Ina atmete aus. »Steffen Kemper?«
    »Was, Sie kennen den?«
    »Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
    »Nein, das möchte ich auch nicht wissen.« Sabine Klein setzte sich endlich. Sie legte die Hände auf die Knie und sah einen Moment lang vor sich hin. »Um ehrlich zu sein, so ein Fernfahrertyp war der nun nicht. Ich weiß nicht, was der war, aber der konnte sich ausdrücken, verstehen Sie? Der war nicht doof und sah gut aus. Deshalb kann man ja trotzdem ein Drecksack sein, hab ich recht? Katja hat ihn wiedergesehen, aber das war später. Erst kam Christian Bauer, er war Fotograf und hat bei einem Interview Fotos von ihr gemacht. Es war komisch, aber die haben sich gesehen und blieben zusammen. Ich weiß noch, was sie mal gesagt hat, daß wir ja alle sexuell befreit sind oder wie sich das nennt, daß wir alle jederzeit Sex haben können, daß es kalkulierbar ist, verfügbar. Nur die Liebe ist nicht zu fassen, so hat sie es ausgedrückt, die ist nicht steuerbar, von nichts und niemandem, von keiner Moral und keinem Gesetz. Sie kommt über dich, du kannst nichts tun.« Sie seufzte und schien mit den Lippen die eben gesagten Worte noch einmal zu formen, gegen die Liebe kannst du nichts tun.
    Eine Weile sahen sie einander an, bis Sabine Klein von dem Dorf im Vogelsberg berichtete, dem gemieteten Häuschen und Katja Kammers neuem Lebensstil. »Sie wollten einfach alleine sein, weg von allen. Katja hat da richtig bürgerlich gelebt, sie kam nur für ein paar Konzerte raus. Wo sie ging und stand, Christian war mit der Kamera da, er fotografierte und filmte sie überall. Er kam auch mit den Kindern klar – was ich sagen will –«
    »Ja?« fragte Ina. Er war dein Mann, nicht? Das will sie jetzt sagen. Daß du ihn geliebt hast, daß du glücklich warst.
    »Sie haben sich so gut verstanden«, sagte Sabine Klein steif und zupfte am Stoff ihrer Hose herum. »Aber der mußte ja –« Sie bewegte eine Hand in der Luft.
    Sterben. Und du konntest nichts tun.
    »Fixen«, sagte Sabine Klein. »Mußte sich totspritzen. Sie wollte noch ein Kind, eins von ihm, na ja. Sie haben kaum etwas voneinander gehabt.«
    »Ja«, sagte Ina. Sie fröstelte plötzlich. Tommy, bleib bei mir, stirb mir nicht weg.
    »Das hat sie umgehauen. Zwei Monate nach seinem Tod hab ich sie wiedergesehen, und ich sag Ihnen was, ich hab sie kaum erkannt. Sie war fahrig, schläfrig, hat nicht mehr gelacht, und was hat sie lachen können. Was hat diese Frau lachen können, Sie machen sich keine – ja. Aber das Schlimmste ist mit ihrem Gesicht passiert, es war so verändert. Ich meine, nicht Falten oder so, es war der Ausdruck, es waren die Augen, es war nicht mehr Katjas Gesicht. Alles stumpf. Wußten sie, daß ein Mensch sich so verändern kann?« Sabine Klein stand wieder auf und ging mit langen Schritten in der Küche umher. »Sie kam mit den Kindern vom Land zurück und wußte nicht wohin. Nun hat sie so viel Geld zum Fenster rausgeschmissen, als es ihr gut ging, daß es jetzt kaum reichte. Ich selber hab in der Bar aufgehört und war Kellnerin im Hotel Calypso, außerdem hab ich geheiratet, und wir hatten eine winzige Wohnung damals, ich will damit sagen, ich konnte sie auch nicht aufnehmen, beim besten Willen nicht, das waren drei Personen.«
    »Sicher«, sagte Ina, denn Sabine Klein schien Nachsicht zu erwarten, so schuldbewußt war ihr Blick.
    »Sie ist dann umhergeirrt mit ihren Jungs«, fuhr sie fort, »mal hier und mal da, bis sie den Dreckskerl wiedersah, den Kemper. Vielleicht blieb ihr nichts anderes übrig, jedenfalls ist sie zu ihm gezogen, und was hatte sie davon? Paar Wochen später kam sie zu mir und hat mich nach einem Zimmer im Hotel gefragt, egal, was es kostet.« Sabine Klein nahm jetzt die Finger zur Hilfe, wie Alex Kissel das immer machte, wenn er eine Erzählung schnell zu Ende bringen wollte. »Sie hatte blaue Flecken, sie hatte rote Flecken, sie hatte alles mögliche, Sie machen sich keine Vorstellung. Aber den Kindern hat er nichts getan.«
    »Was hat er getan?« fragte Ina. Ihre Stimme war zu leise und sie räusperte sich.
    »Sie machen sich keine Vorstellung«, wiederholte Sabine Klein.
    Doch, sie hatte eine Vorstellung, sah verschwommen eine andere Frau, Geli, sah ihre über den Brüsten gekreuzten Arme und ihr verweintes Gesicht, und dann sah sie Katja selbst. Sie sah einen Mann ohne Gesicht, sah seinen Schatten, Kemper. Er wollte dich ausprobieren, ja? Hat er es so gesagt? Ich hab Typen vernommen bei der Sitte, die das so

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