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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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ist da einfach weg und –« Die kleine, blöde Handymelodie ließ Sabine Klein das herausgekramte Papiertaschentuch wieder wegstecken. Keine Tränen jetzt, vorwärtsschauen.
    »Ihr Handy«, sagte sie überflüssigerweise, denn Ina hielt es schon in der Hand.
    »DIESER THIELE, DER HATTE BLOSS ’NE KREISLAUFGESCHICHTE. ZUVIEL CRACK HALT.« Kissel schrie, sobald er eine Handynummer wählte. »KANN VERNOMMEN WERDEN, WO BIST DU?«
    »Ja«, sagte sie nur. »Wann?«
    »In zwei, drei Stunden schicken sie ihn rüber. Wo steckst du denn?«
    Sie seufzte. Er konnte oder wollte sich nicht benehmen, das war sein Problem. »Ich bin im Gespräch«, murmelte sie.
    »Mit wem?«
    »Okay, ich komme dann.«
    »Dient es der Erkenntnis?«
    »Sicher«, sagte sie. »Ciao.«
    » Ciao, Bella«, äffte er sie nach, und sie überlegte, ob das hier wirklich der Erkenntnis diente. Nein, nicht unbedingt, Frau Kammer, denn ich weiß noch immer nicht, wo du bist. Aber du mußtest eine Menge aushalten, stimmt’s? Sollte man nicht glauben, wenn man dich auf den alten Videos sieht, auf der Bühne und mit den Jungs zusammen. Na gut, meine Erkenntnis: Du kennst das Leben und bist vielleicht satt davon, kennst die Freude und das Glück, und diesen Scheißschmerz, den kennst du auch. Verdammt, ich will dich sehen.
    Langsam und umständlich schob sie das Handy in die Tasche zurück und murmelte: »Sie haben Robin also nicht mehr getroffen. Und Dorian?«
    »Auch nicht.« Sabine Klein schien die Geduld zu verlieren. »Sie fragen mich nach Katja und suchen aber doch Robins Mörder, nicht?«
    »Ja.«
    »Das heißt – ich verstehe das nicht.«
    Ina sagte nichts und sah sie an. Sie trug zuviel Make-up.
    »Einmal hat Katja gesagt – nein, das gehört nicht hierher.«
    »Sagen Sie’s.« Kissel würde sagen: Ich entscheide, was hierher gehört.
    »Das war im Hotel, sie sagte, er sei so still geworden, zu still für einen kleinen Jungen. Sie fand, er lachte zu wenig, aber dann hat sie so eine Grimasse geschnitten und mich gefragt: Aber wie soll ich ihn zum Lachen bringen, ich bin doch eh am Arsch.« Wieder sah Sabine Klein so aus, als kämen ihr die Tränen, und wieder kam es Ina falsch vor, so falsch wie Kitschmusik am Ende eines Schnulzenfilms. Sie stand auf und sagte, was sie immer sagte: »Danke.« Kissel würde sagen: Das war’s fürs erste.
    »Ich weiß nicht, ob ich heute noch mit Katja klarkäme.« Sabine Klein machte ein Geräusch, das sich wie Schluckauf anhörte. »Gucken Sie mich an, ich lebe ganz bürgerlich mit meinem Mann, ich meine –«
    »Ja«, sagte Ina. »Ich auch.«

[ 11 ]
    Robbi? Du ziehst mich da mit rein. Du hast mich immer überall mit reingezogen, und jetzt sogar in deinen Tod. Robbi, ich werd wirklich sterben müssen, wenn du nicht gehst.
    Dorian beugte sich vor und sah, wie die Lippen dieser Frau sich bewegten. Sie fransten aus, wenn sie redete, und zogen sich zusammen, wenn sie trank, doch wenn sie rauchte, schienen sie aus ihrem Gesicht zu verschwinden. So gierig sog sie an ihrer Zigarette, daß sich sogar Löcher in ihren Wangen bildeten. Schön sah das nicht aus, doch das wußte sie anscheinend nicht, denn sie rauchte pausenlos und trank und redete auf ihn ein. Er begriff nicht genau, was sie ihm erzählte, ihr Leben vermutlich, denn vor einer Stunde hatte sie gesagt, sie fände ihn süß. Robin, der kleine Mistkerl, hätte ihr geantwortet: Hör zu, du Trampel, nerv mich nicht an. Jetzt war er still, was nichts zu bedeuten hatte, weil auch in lebenden Körpern nistende Tote hin und wieder schliefen. Dorian konnte sich nicht vorstellen, was für ein Schlaf das war und ob sie träumten.
    »Ich könnt noch einen vertragen«, sagte die Frau, und er winkte dem Kellner. Was trank die denn, Rotwein, Weißwein? Er hatte es nicht mitbekommen, doch als sie »Noch so einen« schrie, sah er den Kellner nicken.
    Dorian atmete langsam, weil er glaubte, dann weniger Kraft zu verbrauchen. Alles war schwer, auch das Sitzen an der Bar. Er spürte ihn. Es tat weh, er war eine Last; jetzt wußte er, was der Satz bedeutete, man habe eine Last zu tragen. Neben ihm zündete die Frau sich eine neue Zigarette an und sagte, er wär ja ganz ein Lieber. Fast zwei Stunden lang hatte er vor dem Redaktionsgebäude auf sie gewartet, im Kopf nur das Foto aus ihrer Klatschspalte. Als sie dann herausgerannt kam, sah sie tatsächlich so aus, eine löwenmähnige Matrone mit giftgrüner Brille. Heike Petersen. Eine Journalistin, die nicht schreiben konnte, eine

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