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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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nur die Frau, die noch immer neben ihm saß, ah ja, Heike Petersen, Klatschreporterin, Lügnerin, fett.
    »Korrekt«, brüllte sie ihn an. »So seh ich das.« Über was redete die? Fast hatte er sie vergessen, doch hockten sie ja noch immer in dieser schicken Bar, wo er sie reden ließ und trinken, bis es soweit war.
    Laut war Heike Petersen, lärmte mit jeder Silbe, die sie sprach, und mit jedem Lachen. Robbi, ich mag keinen Lärm. Einmal im Hotel hörte er Lärm aus Katjas Zimmer, und weil es Nacht war, mußte er an Kemper denken, weil es in der letzten Nacht in Kempers Wohnung auch so laut gewesen war, bevor Katja mit blutender Stirn vor ihm stand. Er kroch aus dem Bett und öffnete die Verbindungstür, doch der Mann, der da saß, war nicht Kemper, sondern nur irgendein großer Mann, der seiner Mutter gegenübersaß, während Katja eher kauerte. Ihr Oberkörper war nach vorn gekippt, und sie hatte die Fäuste auf den Knien und die Stirn auf den Fäusten, und als sie sich langsam aufrichtete, waren andere Augen in ihrem Gesicht, Löcher, wo einst ihr Lachen gewesen war, ein Schlund. Es war Nacht in ihren Augen, und wie er sie anguckte, wußte er, daß er sich im Dunkeln verlief.
    »Dori«, murmelte sie, »geh doch, geh, geh –«
    Warum redete sie so?
    »Hörst du? In dein dings, dein, na, dein Bettchen.« Wie eine Blinde bewegte sie die Hände und tastete nach Dingen, die sie nicht fand.
    »Dorian«, sagte der fremde Mann streng. »Sag deiner Mami, sie muß wieder Musik machen und singen.«
    Katja lachte, warf etwas vom Tisch und sagte: »Geht nicht – kommt nichts – kommt nichts in den Kopf.«
    »Wenn deine Mami nicht singt«, sagte der Mann, »dann müßt ihr verhungern.«
    »Laß ihn in Ruhe«, sagte sie, und noch einmal: »Laß ihn in Ruhe«, und dann, als hätte sie Gefallen an diesem Satz gefunden, wiederholte sie ihn pausenlos, laß ihn in Ruhe, laß ihn in Ruhe, Mensch, laß ihn in Ruhe.
    Dorian mochte es nicht, wenn sie schrie, denn es war neu und voller Gefahr, dieses Geräusch, das er das erste Mal bei ihr gehört hatte an dem Morgen, als Christian starb. Und nie würde er ihren Schrei vergessen, als Robin und er am Bahnhof diese Spritze fanden, die sie feierlich in ein Tempo wickelten, um sie ihr im Hotelzimmer zu zeigen. Erinnerst du dich, Robbi? »Wirf die weg«, schrie sie, » wirf die verdammt noch mal weg « , und er hatte geglaubt, sie würde gleich weinen. Darum hatte er auch kein bißchen Angst, als sie ein paar Wochen später Robin und ihn in die Arme nahm und sagte, daß sie eine Weile bei anderen Leuten wohnen müßten und daß die Tillmann hießen, denn ihre Stimme war leise. Ganz leise sagte sie das, und ich weiß noch, Robbi, wie du gelacht hast, weil sie dich kitzelte.
    Heike Petersen schrie ihm ins Ohr, sie müsse mal für kleine Mädchen, und als sie zurückkam, kicherte sie laut und meinte, jetzt sei es aber genug. »Ich fang an zu singen«, sagte sie, »nach dem vierten Glas Wein.«
    Durch die halbe Stadt war er ihr hinterhergerannt, bis er sie in dieser Bar hier verschwinden sah, die viel eleganter als der Taubenschlag war. Als er sich neben sie an den Tresen setzte, merkte er, daß sie keine Verabredung hatte, denn sie kritzelte in ihrem schwarzledernen Timer herum und hob sofort den Kopf, als er das erste Wort sagte. Sicher hatte sie ihm ihr Leben erzählt, ein zweistündiges Leben; er guckte auf die Uhr, als er bezahlte, und erinnerte sich an kein einziges Wort.
    In ihrer Wohnung sah er Bilder an den Wänden, die er nicht verstand, und viele CDs im Regal, die er nicht kannte.
    »Du hast hier viel Platz«, sagte er.
    Sie kam mit einer Flasche Sekt aus der Küche, um deren Hals sie eine Serviette gebunden hatte. »Ja«, sagte sie leichthin, »jeht so.« Sie sah zu ihm auf, ein Lächeln auf den Lippen und in den Augen. »Bist ein komischer Kauz, biste Priester und willst et nicht sagen?«
    »Nein, ich bin Musiker.«
    »Wat spielste denn?«
    »Schlaflieder.« Er deutete auf ihre CD-Sammlung. »Hast du etwas von Katja Kammer?«
    »Sollte ich?« Sie lachte. »Hast meine Kolumne jelesen, richtig?« Als sie mit ihm anstoßen wollte, ging er einen Schritt zurück.
    »Ja, hab ich gelesen.« Er ließ die helle Flüssigkeit im Glas kreisen, während er aus ihrer Klatschspalte zitierte: »Daß es sich bei dem auf dem Südfriedhof gefundenen achtzehnjährigen Toten um den Sohn der Sängerin Katja Kammer handelt, wollte die Polizei weder bestätigen noch dementieren. Katja Kammer, einst eine

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