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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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kleine Kultfigur in der Tradition von Patti Smith, stieg so schnell wieder ab, wie sie aufgestiegen war. Ihre eher mittelmäßigen Lieder handelten von Liebe, Sex und der Öde der Vorstädte.«
    Er räusperte sich. Die Petersen hatte sich nicht gerührt und ihrem Mist gelauscht, als wäre der neu für sie. »Das ist ein Haufen Scheiße«, sagte er.
    »Du bist der, der mich anjerufen hat.« Sie lachte, doch jetzt war es kein richtiges Lachen mehr, denn ihre Augen lachten nicht mit. Verwaschene blaue Augen waren das hinter dieser giftgrünen Brille; weißt du noch, Robbi, was wir als Kinder gebrüllt haben? Grün und blau schmückt die Sau. Er stellte sein Glas, aus dem er nicht getrunken hatte, auf das Bücherregal.
    »Ich Döskopp.« Sie war wieder nüchtern. »Wat willste von mir?«
    »Ich weiß nicht.« Er holte Luft und merkte, daß es beinah ein Hecheln war. Wispern, Tuscheln und Kichern in ihm, und dann ein Tritt gegen seine Niere, ein Tritt von innen. Robin war wach. Er legte den Kopf schief. Sie müßte abnehmen, wirklich. Nachts auf den Straßen wäre sie nicht wendig genug, wenn einer sie packte.
    Sie starrte ihn an. »Wat bist du für einer, wat willste? Bist du mit der Kammer – ja klar, der am Telefon hat jesacht, die hätte zwei –«
    »Warum hast du mich mitgenommen?« unterbrach er sie.
    »Hätt ich lassen sollen.« Sie, die ihn gerade noch lieb genannt hatte, guckte ihn nun an, als wäre er eine Spinne, fies und gemein. »Ich glaube, du haust jetzt ab, mein Knabe.«
    Sie glaubte es nur, sicher war sie nicht. Sie fuchtelte mit den Armen, als könnte sie ihn dadurch schneller vertreiben.
    »Warum lügst du?« fragte er. »Lügen alle Journalisten?«
    »Erzähl keinen Quatsch. Ich schreib, wat Sache ist, wat hab ich denn jeschrieben, wat is denn so schlimm?« Sie fuchtelte immer noch, und ihre Stimme wurde schrill.
    »Ihr habt Macht in der Zeitung.« Er fror plötzlich, dabei war es stickig und schwül. »Was da steht, das steht als Wahrheit da. Ihr seid wie Richter, die Urteile fällen, ohne den Angeklagten gesehen zu haben.«
    »Ich recherchiere«, rief sie, »ich –«
    »Red keinen Scheiß.« Er nahm die schwere Vase vom Boden, eine leere Vase, was er für Schlamperei hielt, denn normalerweise füllte man sie mit Zweigen. Vor ihr tänzelnd, um ihr den Weg abzuschneiden, schob er zwei Finger unter den Rand und ließ die Vase pendeln, bis sie ihr Gesicht traf. Sie taumelte gegen die Wand, ein Bild fiel herunter. Robin, der kleine Kobold, lachte in seinem Kopf.
    Draußen hörte er sie schreien.
    Dorian wußte, daß es böse Gedanken gab, die nirgendwohin führten, nur in die Einsamkeit. Sein erstes Mädchen fiel ihm ein, deren Zähne unter der Lippe hervorguckten wie bei einem Hasen. Zuerst war ihm das kaum aufgefallen, bis er eines Abends fand: So geht das nicht, da muß sie was tun. Du hast so häßliche Zähne, sagte er ihr, das sieht schlimm aus. Sie wußte es wohl selbst, aber sie wollte es nicht hören, und seit diesem Abend hatte er sie nie wiedergesehen, obwohl er sich zu jener Zeit eine Freundin wünschte, genaugenommen sogar eine mit schlechten Zähnen.
    Eben hatte er die Frau da oben strafen wollen, was noch ein viel böserer Gedanke war, doch er merkte, daß ihn die Bestrafung nicht erlösen konnte, weil nichts, was er sagte oder tat, diesen Geist in ihm vertrieb, den eigenen Bruder, der Böses zischte in seinem Kopf. Immer, wenn er wach war. Unaufhörlich. Robin war schuld, daß sein Kopf immer voller wurde und er Dinge dachte, die er nicht denken, die er wieder wegknipsen wollte wie einer, der Dias anguckt und nur einen Knopf drücken muß, damit sie verschwinden.
    Robin, Scheißzombie, laß mich in Ruh.
    Als er dastand, eng an die Hauswand gedrückt, überlegte er, ob er wieder klingeln und sich bei der Petersen entschuldigen sollte, denn ihre Wut und ihre Schmerzen konnte er bis hier unten hören. Sie schrie sie in schlimmen Worten heraus, wobei er nicht wußte, auf wen sie wütender war, auf ihn oder auf sich selbst. Er traute sich nicht. Er hatte sich auch als kleiner Junge nicht getraut, den Coladosenwerfer zu stellen, der das letzte Konzert seiner Mutter störte.
    Es war ihr schwergefallen, das wußte er jetzt. Viele Leute kamen damals ins Hotel, um ihr zu sagen, sie müsse wieder singen. Doch als sie dann wirklich wieder auf die Bühne ging und Robin und er im Zuschauerraum saßen, war alles anders als zuvor. Sie vergaß Worte. Sie stand vor dem Mikrofon und wußte nicht mehr

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