Sterntaucher
geschrien und gebettelt. Der hat man gezeigt, wo das endet, wenn sogenannte Berühmtheiten sich für was Besseres halten.«
Gelis Worte fielen ihr wieder ein, als sie auf den Mann heruntersah: »Hat mir meine Anziehsachen zurückgegeben«, so hatte sie ihre kurze Begegnung mit Katja Kammer geschildert. Das Ende einer Folter. »Hat nicht geredet. Hat mich mit dem Arsch nicht angeguckt.«
Nein, hast du wohl nicht. Was hättest du ihr auch sagen können, was sagen die Leute denn so? Nimm’s nicht tragisch, ich weiß selber, wie das ist.
»Was«, fragte sie Belloff, »haben Sie mit ihr gemacht?«
»Es waren andere Leute«, sagte er schnell. »Ich nicht.«
»Was haben diese anderen Leute mit ihr gemacht?«
Er antwortete nicht sofort. Er schien seine Worte zu wählen, denn das war ja nichts, was man beiläufig erzählte. Sicher hatte er noch nicht so oft über Sitzungen oder Folterungen oder Behandlungen gesprochen, egal, wie sie das nannten. Vermutlich hatte er das jahrelang gewollt, einen solchen Moment herbeigesehnt, da er auch mit Worten den ganzen Zauber beschreiben durfte, so wie sie selbst manchmal Lust hatte, ihren Freundinnen von Momenten zu berichten, die doch unwiederholbar waren, jeder für sich. Er hat meinen Bauch gestreichelt und meine Brüste geküßt, ziemlich lange, bis ich es nicht mehr ausgehalten hab. Das hat er raus, echt, der davor war zu blöd dazu. Konnte irgendwie nicht koordinieren. Sein Haar hat gekitzelt, es ist ziemlich lang, na ja, ich hab ihm den Friseur verboten, das heißt, nur die Spitzen, was ich ja auch selber machen könnte, ich meine, ich könnte ihm durchaus die Haare schneiden, die Spitzen, sparen wir wieder Geld, aber er läßt mich nicht. Als Kind hat ihm die älteste Schwester die Haare geschnitten, aber die hat den Pony nicht hinbekommen, so gerade, weißt du? Sah er aus wie ein Depp, sagt er.
Findest du auch langhaarige Typen so gut, Katja?
»Mit Feuer«, sagte Richard Belloff, »mit Feuer und Eisen.«
»Heißt?« Sie ging einen Schritt zurück.
»Es gab da Leute, die haben sie gebrannt und dann mit Klingen gekühlt.«
»Heißt?«
»Man hat ihr die Brustwarzen verbrannt, ja, so etwas haben sie getan.« Zufrieden klang er, heiter fast.
Ina drehte den Kopf, bis sie Kissels Füße sah. Er trug klobige Schuhe, die zu seinem Körper paßten. Anschreien wollte sie ihn, Alex, sag doch was, laß mich nicht alles alleine machen. Doch Kissel kaute an seinen Fingernägeln und guckte auf den Teppich.
»Geh«, sagte Frau Belloff zu ihrem Mann, »sag doch so was nicht.«
»Sie ist geblieben«, sagte Ina. »Sie war später noch dabei.« Sie wollte es als Frage formulieren, doch wußte sie nicht, wie. Was ist los, bist du bescheuert? Als sie dich in Ruhe ließen, hättest du gehen können, nein? Aber du wirfst dich in ein todschickes Abendkleid und guckst zu, wie sie dasselbe mit anderen machen. Hattest keine Kraft mehr, war es das? Konntest nicht mehr gehen? Wolltest nicht? Ich weiß nicht, wie das zugeht, keine Ahnung. Hatte noch kein so schlimmes Leben bisher, lief meistens alles vor sich hin. An diese eine Nacht denk ich nicht mehr so oft, als die Verrückte mich totprügeln wollte, das war auch nicht so – bodenlos. Da standen keine Kerle im Kreis, die sich womöglich einen runterholten, während sie den Schreien lauschten, Angstschreien, Todesschreien und diesem Wimmern vielleicht, das du ausstößt, wenn du die Schatten siehst, die schwarzen Schatten, von denen du glaubst, daß sie dich gleich krallen und woandershin bringen, in die Hölle vielleicht, in den Tod.
Hast du die Schatten gesehen?
»Kemper hat ein Auge auf sie gehabt«, sagte Belloff. »Der hat sie wohl ausgehalten. Tönt die groß rum, daß wir alle Spießer sind, das hat sie ja gemacht, nicht wahr, und hat selber kein Geld. So ist das immer mit denen, das geht alles auf unsere Kosten.«
»Kemper.« Kissel stand auf. »Und Frau Kammer.« Er packte den Rollstuhl und drehte ihn spielerisch herum, während ein leises Zischen von Frau Belloff ihn begleitete. »Adresse, Aufenthaltsort. Bitte, ich höre.«
»Bei Gott.« Belloff holte keuchend Luft. »Ich weiß nicht, wo die steckt.«
»Bei Gott?« Kissel lachte. »Sie machen ja Dinger.« Er hob beide Hände, und die Vorderräder krachten auf den Boden zurück. »Sie wissen ihre Adresse nicht. Sie kannten vermutlich auch Robin Kammers Adresse nicht?«
»Wie? Wer?« Belloff blinzelte, und seine Frau murmelte: »Wie meinen Sie das?«
Kissel deutete auf das
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