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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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drücken die Kehle zu und schlagen und stochern und machen, und ich dacht ja, ich komm da nicht raus, komm da nie wieder raus –«
    »Wann war das?« flüsterte Ina. Sie spürte ein heißes Zittern im Magen, so ein Gefühl, als brenne ein Streichholz im Innern. »Können Sie sich erinnern, wann das war?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Geli, und in ihren Augen war nichts mehr zu sehen, kein Schmerz und keine Hoffnung. »Ich weiß nicht, warum sie das gemacht haben. Einfach so schlagen.« Mit zitternden Fingern klaubte sie eine weitere Zigarette aus der Hosentasche, aber die war zerbröselt, und darum steckte sie die Hälfte in den Mund. »Haut ab. Ist doch paar Jahre her, was wollt ihr denn jetzt, damals habt ihr euch auch nicht um mich gekümmert.«
    »Sie haben ja keine Anzeige erstattet«, sagte Kissel.
    »Wozu?« fragte Geli. »Die haben doch die Macht.«
    »Welche Macht?«
    »Die können lügen.« Sie lehnte sich gegen den Müllcontainer und trat mit der Ferse dagegen, ein dumpfes Gepolter, das die Erinnerung nicht vertrieb. »Sie sagen, man könnte nichts beweisen. Spinnergerede, Gerede von Junkies und Pennern, und dann zeigen sie auf sich selber und sagen sie: Guckt mich an, sehe ich aus, als würd ich das tun? Die haben die Macht.«
    »Wissen Sie noch, wo das war?« fragte Ina. »Die Straße, das Haus?« Sie hatte das Gefühl, kaum noch stehen zu können, weil jetzt auch die Beine zu zittern begannen. Manchmal passierte das, und jetzt war es auch nur so weit gekommen, weil Geli vom Eingeschlossensein redete, davon, nicht mehr rauszukommen, nie wieder raus. Sie wollte nicht, daß Kissel das Zittern bemerkte und machte kleine Schritte vor und zurück.
    »Da war alles schick«, sagte Geli, »bis auf die Sachen.«
    »Welche Sachen?«
    »Der Stuhl, die Liege, wo ich angebunden war. Waren schöne Stühle, drumrum, zum Sitzen, zum Gucken. Ich glaub, es war keine Wohnung, es war dafür hergerichtet oder so. Ein Raum, ein großer Raum.«
    »Die Straße? Können Sie sich erinnern?«
    »Nein, war doch Nacht. Hat mich in der Nacht hingefahren und im Dunkeln wieder abgesetzt irgendwo. War Absicht, heute weiß ich’s.« Sie preßte die Handflächen gegeneinander und zog die Schultern hoch.
    »Kennen Sie seinen Namen?« fragte Ina.
    »Sie haben alle Namen, jeder sagt dir irgendeinen Namen.« Sie rieb sich die Schultern. »Einer hat ihn wohl Stefan genannt, hör ich noch. Muß ja nicht stimmen, die nennen sich alle irgendwie.«
    Stefan? Steffen, Steffen Kemper. Ina sah Kissel an, sah ihn lächeln. Sie atmete durch und sagte: »Es war eine Frau dabei.« Noch immer tänzelte sie hin und her und merkte, daß Kissel sie interessiert beobachtete. »Eine Frau in einem Abendkleid. Können Sie sich erinnern?«
    »Die Frau, ja.« Geli sah sie gleichgültig an. »Weiß ihren Namen nicht.«
    »Was können Sie über sie sagen?«
    »Sie war bloß da die ganze Zeit. Hat mir später meine Sachen zurückgegeben, meine Anziehsachen. Hat nicht geredet. Hat mich mit dem Arsch nicht angeguckt.«
    »Gehörte sie zu den Gästen « – Kissels Stimme war Eis – »oder gehörte sie zum Personal? «
    »Sie war vorher schon da.« Geli legte den Kopf zurück. »Sie kannte sich aus.«
    Kissel verschränkte die Arme. »Katja Kammer. Schon mal gehört?«
    Geli kniff die Augen zusammen und fragte langsam: »Heißt die so?«
    »Kennen Sie den Namen?«
    »Nein.«
    »Robin Kammer, kennen Sie den?«
    »Nein.«
    »Dorian Kammer?«
    »Sucht ihr ’ne ganze Familie?«
    »Einen Dr. Lippert? Dirk Lippert?«
    »Woher denn, nein. Laßt mich doch in Ruhe, ihr seid doch dieselben Arschlöcher wie die, kommt her nach all den Jahren. Haut doch ab.« Sie guckte in den Himmel und flüsterte: »Das hab ich alles hinter mir, das ist längst nicht mehr wahr.«
     
    Kissel lehnte sich gegen den Wagen. »Was ist los?«
    »Was soll sein?« Ina schob ihn zur Seite und setzte sich auf den Beifahrersitz. »Ich bin müde, das ist alles.« Der Wagen schien zu eng, am liebsten würde sie mit offenen Türen fahren. Die Welt war zu eng.
    »Du wirkst so klapprig.«
    »Schön«, sagte sie und hörte von irgendwoher die Stimme des Polizeipsychologen: »Woran Sie leiden, ist ein traumatisches Streßsyndrom, und wenn es wiederkommt, hilft es, über die Ursache zu reden.«
    Reden, schön. Aber nicht mit Kissel. Sie sagte: »Der Tarif ist da zwanzig fürs Blasen, man glaubt es nicht.«
    » Was meinst du?«
    »Am Großmarkt.« Sie seufzte.
    »Wieviel ist denn üblich?«
    »Na hör mal,

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