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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Platz.«
    Er rückte von ihr weg, was auch nicht das Richtige war, weil sie ihn wieder an sich pressen wollte wie vorhin, die Beine um seine geschlungen, aufstöhnend, ein Echo die eigene Stimme, wobei ihr sekundenlang sogar eingefallen war, daß das Fenster offenstand und der Kerl aus dem Stockwerk unter ihnen sie schon einmal so dummgeil angeglotzt hatte, egal. Aber es hatte nur kurz geholfen, bevor alles zurückkam, als wäre es gerade erst geschehen.
    Das würde immer so sein, oder? Lebenslang die Erinnerung – Geli sah die Männer mit den Messern, Ina die Verrückte mit dem Stock, in deren Gewalt sie eine Nacht lang gewesen war, und die sie schlug, immer nur schlug und nicht entkommen ließ. »Es war so«, hatte sie dem Polizeipsychologen erzählt, »das war eine verrückte Serientäterin, die nach drei Morden die ermittelnde Beamtin töten wollte, also, ehm, mich.«
    »Schädeltrauma«, sagte der Psychologe. »Beinbruch, Nierenquetschung, hat sich rumgesprochen.«
    »Und ich sollte vielleicht noch dazu sagen, daß ich zu blöd gewesen bin, sie sauber zu ermitteln, denn sonst hätt ich mir das alles ersparen können, das sollte ich vielleicht noch -ja – erwähnen.«
    »Können Sie machen«, hatte er gemurmelt. »Ändert aber nichts. Träumen Sie?«
    Ja, verdammt, darum war sie doch endlich zu ihm gekommen. Sie hatte schon früher daran gedacht, als Leichen an ihrer Decke zerrten und halb zerfallene Biester sie aufschreien ließen mitten in der Nacht, was sie keinem Menschen erzählen konnte, weil es superpeinlich war, daß eine Ermittlerin sich vor Leichen gruselte und lieber so tat, als sei sie Scully, die tolle, coole Frau aus Akte X. Doch erst als diese Verrückte sie überwältigt und halb totgeprügelt hatte, war Scully in ihr zerplatzt wie eine – »Sie wissen schon.«
    »Sicher«, sagte er. »Scully ist eine schöne Maschine.«
    Vielleicht. Nach zwei Monaten Krankenhaus hatte sie Hals über Kopf ihre Wohnung gekündigt, um mit Tom, den sie erst kurze Zeit kannte, in diesen schönen Altbau hier zu ziehen, der im Grunde viel zu teuer war. Sie hatte trotzdem kaum noch atmen können, keine geschlossenen Türen ertragen und kein geschlossenes Fenster und schon gar kein dumpfes Geräusch, weil dumpfe Geräusche sie an die Schläge erinnerten, die niederprasselten auf ihren Kopf und ihren Körper, überall – »Ich schaff das nicht«, hatte sie dem Psychologen gesagt. »Ich krieg mich, glaub ich, nicht mehr auf die Reihe.«
    Es war noch nicht so lange her, und wenn sie überhaupt einmal darüber sprach, nannte sie es ihren Unfall. Sie wußte nicht, wie sie es sonst nennen sollte. Würde es nach Jahren noch rumoren und wie bei Geli im Verborgenen warten, bis jemand kam und es hervorzog wie eine halbtote Maus unterm Sofa?
    »Soll ich was kochen?« Toms Allheilmittel, Essen. Iß was, dann geht’s dir wieder gut. In der dunklen Zeit war er aus der Küche gar nicht mehr herausgekommen.
    »Wir könnten essen gehen«, sagte sie.
    »Jetzt noch? Außerdem waren wir eben erst.«
    »Am Wochenende. Warum willst du dauernd zu Hause hocken? Wir müssen mehr unternehmen, weißt du das?«
    »Ich werd die Lammsteaks braten«, sagte er.
    »Hörst du, was ich sage?«
    »Ist doch schön zu Hause. In der Kühltruhe sind Bohnen, die mach ich dazu.« Gähnend kroch er aus dem Bett, nahm seine Sachen vom Boden und tappte damit zur Tür.
    Man mußte vergessen. Aber man konnte ja nicht. Geli würde es niemandem erzählt haben, weil sie vielleicht dachte, daß die ungeteilte Erinnerung schneller verblaßte, denn wenn niemand danach fragte, würde es mit den Jahren so sein, als sei es gar nicht geschehen. Doch wie lange konnte man vergessen, was nicht auszuhalten war, wann kam es zurück und warf einen um? Was träumte Geli? Sah sie die Frau an der Wand lehnen, als warte sie auf den Bus? Warum hilfst du mir nicht, stehst nur da und starrst irgendwohin? Ina nahm das Privatvideo, dessen Anfang sie im Präsidium gesehen hatte, und schob es in den Recorder. Welchen Titel sollte man ihm geben, es war einmal? Die aneinandergereihten Szenen folgten keiner Ordnung, so als hätte jemand alles auf ein Band kopiert, was von der früheren Katja Kammer übriggeblieben war.
    Wieder war der kleine Robin zu sehen. Er stolperte auf seine Mutter zu, die ihn lachend in die Arme schloß. Das Bild wackelte, zeigte Himmel, einen Baum und einen Ast auf dem Boden. »Ist die zu schwer?« fragte die Kammer. Sie legte den Kopf schief und zog Grimassen. Ein

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