Stets Zu Diensten, Mylady
doch gerade dieser Sieg hatte ihm bewiesen, wie wichtig ihm seine Ehre war. Dort draußen in der Wildnis hatte er seinen Stolz zurückgewonnen. Und seit ihrer wunderbaren Liebesnacht war ihm bewusst, dass er sich als Becks Parasit fühlte, der von ihrem Vermögen zehrte, ohne ihr einen würdigen Gegenwert geben zu können.
Was habe ich ihr zu bieten, fragte er sich immer wieder. Nichts, gar nichts außer meiner Ehre. Und genau die verliere ich in dieser Ehe. Um ihrer wirklich würdig zu sein, muss ich mich und sie aus unserem unseligen Vertrag befreien! Der Himmel weiß, wie sehr es mein Herz brechen wird, sie zu verlassen, aber kein Weg führt daran vorbei. Weil ich sie so sehr liebe, muss ich ihr die Freiheit zurückgeben, einen anderen, würdigeren Mann zu finden und lieben zu lernen!
Das Furchtbarste an allem war, so war ihm während der Reise klar geworden, dass er Beck unweigerlich zutiefst verletzen würde, was auch immer er zu tun beschloss. Dort draußen im Wald hatte sie sich ihm endlich geöffnet – aus Dankbarkeit, wie er glaubte, und keineswegs aus Liebe, denn wie hätte sie einen ehrlosen Hanswurst lieben können? In dieser Verwundbarkeit würde sein Fortgehen sie doppelt treffen. Doch bleiben konnte er auch nicht, gerade, weil er sie so sehr liebte.
Auch an diesem Morgen im Frühstücksraum des komfortablen Londoner Stadthauses brachte Will es nicht übers Herz, offen mit Beck zu sprechen. Stattdessen wartete er, bis sie zum Lunch bei Tante Petronella aufgebrochen war, setzte sich dann in der Bibliothek an seinen Schreibtisch und verfasste zwei Briefe. Der Erste war schnell geschrieben. Er wies die Coutts Bank an, alle Zahlungen in den Norden des Landes einzustellen, da ab jetzt auf seinem Konto kein regelmäßiges Einkommen mehr eingehen werde.
Der zweite Brief war an Beck gerichtet. Als er auch ihn mit einem schweren Seufzer versiegelt hatte, legte er ihn auf den Sekretär seiner Gemahlin in ihrem Schlafgemach, packte ein paar Kleidungsstücke in seinen alten Seesack und stahl sich durch die Hintertür aus dem Haus.
Auf der Straße blieb er noch einmal kurz stehen, sah an dem Gebäude hoch, in dem er Rettung aus höchster Not und Liebe – wenn auch kein Eheglück – gefunden hatte, wandte sich dann entschlossen ab und eilte zu der Poststation, an der die Kutschen nach Norden abfuhren.
Voller Vorfreude auf einen gemeinsamen Abend zu Hause mit Will kehrte Rebecca am späten Nachmittag von ihrer Tante heim. Doch Will war nicht da. Er, der sie sonst immer genau über seine Vorhaben informierte, hatte offenbar das Haus verlassen, ohne dass einer der Dienstboten es gemerkt hätte. Als er auch zum Dinner nicht auftauchte, ging Rebeccas anfängliche Verwunderung in Besorgnis über, in die sich eine halb eingestandene Enttäuschung mischte. Zum ersten Mal seit ihrer verspäteten Hochzeitsnacht in der Wildnis war es ihr an diesem Tag möglich, Will in ihrem Bett willkommen zu heißen, und im Stillen hatte sie gehofft, ein Abend in behaglicher Atmosphäre würde in Zärtlichkeit und Liebe münden.
Schließlich zog sie sich allein in ihr Schlafgemach zurück. In Gedanken versunken, setzte sie sich auf den Stuhl an ihrem Sekretär. Ohne es recht zu bemerken, spielte sie mit dem Brieföffner – und sah plötzlich einen versiegelten Brief dort liegen.
Auf der Stelle erkannte sie Wills Handschrift. Was mochte er ihr geschrieben haben? Mit zitternden Fingern brach sie das Siegel, faltete den Bogen auseinander und begann zu lesen.
“Geliebte meines Herzens!
Wenn Du diese Zeilen liest, bin ich bereits weit fort. Weil ich Dich liebe, kann ich nicht länger auf Deine Kosten leben. Draußen in den Wäldern verteidigte ich Dich wie ein wahrer Mann, und heute muss ich mich aufmachen, auch im alltäglichen Leben die Rolle eines wahren Mannes anzunehmen. Es bricht mir das Herz, Dich zu verlassen, aber es muss sein. Du sollst frei sein, jemanden zu lieben, der Deiner würdiger ist, als ich es je sein könnte. Ich dagegen muss den Versuch unternehmen, für mich selbst zu sorgen und aus eigener Kraft ein ehrbares Leben zu führen.
Deshalb löse ich hiermit unseren Vertrag, eine Abmachung, in die ich niemals hätte einwilligen dürfen. Das mag in Deinen Augen eine wenig ehrenhafte Handlung sein, doch ist sie immer noch ehrbarer, als an unserer Absprache festzuhalten. Sie würde mich alle Zeit daran hindern, das zu sein, was ich mir für Dich und mich von Herzen wünsche: Dein ehrbarer Ehemann.
Bitte glaube mir,
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